Dem Autor zufolge verlieren aufgrund einer Kapitalmarktforschung in einem beliebigen Jahr mehr als 80 Prozent der Trader Geld. Von den übrigen 20 Prozent hatten viele nur Glück und verlieren entsprechend im folgenden Jahr. Das bedeutet nicht, dass man mit Trading kein Geld verdienen kann, aber es ist sehr schwierig. Der Grund dafür ist, dass schätzungsweise 98 Prozent des Volumens in den liquiden Forex-Märkten spekulativer Natur sind und nur rund zwei Prozent fundamental getrieben. All diese spekulativen Positionen beeinflussen den Markt doppelt: einmal beim Eröffnen und ein zweites Mal beim Schließen der jeweiligen Trades.
Dr. Marko Gränitz ist Finanzjournalist mit Fokus auf Themen der Kapitalmarktforschung.
Auf seinem Blog veröffentlicht er Artikel über die zentralen Erkenntnisse wissenschaftlicher Studien.
Der Grund, warum man Geld verdienen kann, liegt darin, dass die Gewinnmöglichkeiten beispielsweise innerhalb eines Jahres größer sind als die Kursrisiken. Das Paper betrachtet dazu den Forex-Markt anhand einer einfachen Hochrechnung. Angenommen, ein Währungspaar bewegt sich über ein Jahr per Saldo um 20 Prozent. Das klingt nach einer ordentlichen Bewegung. Wenn man nun aber alle einzelnen Kursbewegungen betrachtet, die beispielsweise mindestens 0,05 Prozent ausmachen, und davon die anfallenden Transaktionskosten abzieht, so könnte man ungehebelt vielleicht 1600 Prozent erzielen. Das ist natürlich nur Theorie, denn man bräuchte perfekte Kenntnisse über den künftigen Kursverlauf. Wir bezeichnen dies als ausgebreitete Küstenlinie der Preisbewegungen. Aber dennoch: Das Potenzial der Einzelbewegungen ist selbst bei realistischeren Annahmen noch höher als das reine Kursrisiko von angenommenen 20 Prozent.
Als Menschen sind wir natürlich nicht in der Lage, mit quantitativen Modellen des Hochfrequenzhandels zu konkurrieren. Dennoch hat es einen Nutzen, wenn wir lernen, wie man professionell ans Trading herangeht. Nur durch persönliche Erfahrung gewinnen wir Einblicke in die wirkliche Funktionsweise der Märkte. Das Paper gibt einige Hinweise, die für Trader hilfreich sein können und die wir hier zusammenfassen.
Sie haben Zeit
Der häufigste Fehler, den Trader machen, ist der, ungeduldig zu sein, zu schnell eine Position zu eröffnen und dabei gleich eine hohe Positionsgröße zu wählen. Stellen Sie sich dagegen Folgendes vor: Wenn Sie es schaffen, nur 0,5 Prozent unserer jährlichen „Küstenlinie“ von 1600 Prozent erfolgreich einzunehmen, so würden Sie eine Rendite von acht Prozent erzielen – ungehebelt. Damit wären Sie extrem erfolgreich im Trading-Geschäft. Es gibt also keinen Grund für Ungeduld. Es gibt unzählige Trading-Chancen. Suchen Sie sich Ihre Trades genau aus. Die Märkte sind fraktaler Natur, sie bewegen sich nicht in geraden Linien nach oben oder unten.
Es ist ein ständiges Auf und Ab, in dem es immer wieder neue Gelegenheiten gibt. Aus diesem Grund ist es auch sinnvoll, Positionen nicht auf einen Schlag, sondern zum Beispiel in drei Stufen zu eröffnen. Denn niemand ist in der Lage, sofort das richtige Timing zu erwischen. Man sollte also für jede Trading-Idee einen festen Kapitalbetrag haben, der eingesetzt wird, sowie eine Reserve für den Fall, dass die Idee zwar richtig war, aber der erste Einsatz verfrüht. Ideal zur Umsetzung des Einstiegs sind kurzfristige Rücksetzer, die wegen temporärer Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage auf jeder Zeitebene existieren. Diese Ungleichgewichte treten schon allein deshalb immer wieder auf, da wie bereits beschrieben eine ständige Wechselwirkung zwischen Positionseröffnungen und -schließungen der einzelnen Akteure besteht.
Traden Sie klein
Wir sind überhaupt nicht gut darin, extreme Ereignisse vorherzusehen. Gerade an den Märkten laufen die großen Bewegungen weiter, als wir es erwarten. Für solche unerwarteten Ereignisse brauchen wir genügend Kapital als Puffer, und das klappt nur, wenn wir unsere Positionen relativ klein halten. Genau das ist es, was die meisten erfolgreichen Trader machen: Sie handeln selten Positionen, die mehr als zehn oder 20 Prozent ihres Handelskontos ausmachen, aber sie handeln konsistent. Das wichtigste Ziel ist der Kapitalerhalt. Da die Küstenlinie so lang ist und man verschiedene Instrumente handeln kann (Diversifikation), ist auch mit kleinen Positionen eine ordentliche Rendite möglich.
Vorsicht bei unerwarteten Kaskaden
Das Verrückte ist, dass selbst relativ kleine Orders einen Einfluss auf die Kursbewegung haben können. Wenn wir kleinere Währungspaare betrachten, können Orders in Höhe von umgerechnet 50 Millionen US-Dollar den Wechselkurs um 0,2 Prozent verschieben. Selbst bei großen Währungspaaren wie dem EUR/USD können für eine solche Bewegung je nach Tageszeit und Liquiditätslage durchaus 100 bis 200 Millionen US-Dollar ausreichen. Das mag viel erscheinen, jedoch haben wir hier die Hebel noch nicht einbezogen. Für einen 200-Millionen-US-Dollar-Trade können fünf Millionen als Kapitalbasis ausreichen. Das hat die erstaunliche Konsequenz, dass die US-Wirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 19 Billionen US-Dollar wegen eines Traders mit fünf Millionen US-Dollar Eigenkapital plötzlich einen um 0,2 Prozent anderen Wechselkurs haben kann.
Weil also auch vergleichsweise kleine Trader über den Hebel den Markt bewegen können, können jederzeit kleine Spikes im Kurs entstehen. Und diese anfangs kleinen Spikes können verheerende Konsequenzen haben, wenn andere Marktteilnehmer zu diesem Zeitpunkt bereits auf hohen, nicht realisierten Verlusten sitzen. Dann kann ein solcher Spike eine Kaskade von Margin Calls auslösen, was ein hohes Ungleichgewicht zwischen Käufern und Verkäufern verursacht und eine weitere Fortsetzungsbewegung hervorruft, die fundamentale Bewertungen auf den Kopf stellt. Aus solchen Preisbewegungen lässt sich ableiten, dass andere Marktteilnehmer wahrscheinlich fehlpositioniert waren und es Zwangsausstiege gab. Diese treten häufig beim Überschießen von früheren Hochs und Tiefs auf.
Passives Herdenverhalten
Wenn eine Marktphase lange genug anhält, entwickelt sich das Verhältnis zwischen Trendfolge- und Mean-Reversion-Tradern zunehmend einseitig. Das geschieht unabsichtlich und hängt nicht mit der genauen Vorgehensweise zusammen. So passiert es im Zeitablauf, dass trotz unterschiedlicher Analyseansätze sowohl technische als auch fundamentale Trader ähnliche Positionen handeln und früher oder später 70 bis 80 Prozent der Marktteilnehmer vergleichbare Portfolios haben.
Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass bei plötzlichen ungünstigen Marktentwicklungen eine Kettenreaktion einsetzt, die letztlich der Auslöser für eine neue Marktphase ist. Zuerst werden üblicherweise profitable Positionen geschlossen. Bei Verlusten warten dagegen viele bis zum letzten Moment, sodass Bewegungen, die sich gegen Tagesende (vor allem freitags) verstärken, als Indiz für eine Trendfortsetzung gelten.
Halten Sie eine Reserve
Aufgrund der Eigenschaft des Marktes, Übertreibungen auszubilden, ist es wichtig, eine Kapitalreserve zu halten. Optimal ist dafür die Hälfte des Trading-Kapitals. Dies dient zum einen dazu, bei Fehl-Trades nicht sofort in Handlungszwang zu geraten und am ungünstigsten Punkt aussteigen zu müssen. Zum anderen kann man, wenn man bei besonders starken Bewegungen noch trockenes Pulver hat, auch bestehende Verlustpositionen verbilligen. Aber eben nur dann, wenn der initiale Einstieg wie bereits beschrieben eine kleine Position war und das aktuelle Kursniveau im Chart der gehandelten Zeitebene so übertrieben aussieht, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein Reversal darstellt. Sobald sich eine deutliche Umkehr ausbildet, sollte diese Position dann wieder reduziert werden.
Setzen Sie Stopps
Als Trader muss man einen Stopp-Loss haben, an dem der Trade im Extremfall zu beenden ist. Damit vermeidet man den gefährlichen „Freeze“-Zustand, bei dem die Position so verheerend ins Minus läuft, dass man keine mentale Energie mehr hat, darauf zu reagieren. So mancher Trader verfällt dann in eine Schockstarre und kann nur noch auf eine Kursumkehr hoffen. Früher oder später wird das katastrophal enden.
Um das zu vermeiden, kann ein relativ weit entfernter Stopp gesetzt werden, der im Idealfall nicht erreicht wird. Das sollte an Stellen im Chart sein, wo eine Kaskade ausgelöst werden könnte. Innerhalb dieses Trading-Bereichs kann sich der Trader durch Auf- und Abbau der Position wie bereits beschrieben aus der Situation befreien oder sogar von Übertreibungen profitieren. Wird der Stopp dagegen erreicht, bietet es sich an, dort einen Teil der Position automatisch zu schließen und den verbleibenden Teil in einer Gegenbewegung weiter abzubauen.
Wenn Sie viele Positionen haben und Margin für einen weiteren Trade benötigen, schließen Sie nicht eine Gewinn-, sondern eine Verlustposition. Diese liegen im Risiko und könnten vielleicht in einer Minuskaskade enden, während Ihre Gewinn-Trades vielleicht auf einer positiven Welle reiten.
Nehmen Sie Gewinne mit
Um Geld zu verdienen, ist es genauso wichtig, Gewinne mitzunehmen wie Verluste zu begrenzen. Lassen Sie sich nicht vom scheinbaren Erfolg einzelner Positionen täuschen. Sie müssen Gewinne realisieren. Setzen Sie sich von Anfang an ein Kursziel und bleiben Sie dabei. Viel zu oft fallen Buchgewinne wieder in sich zusammen und enden am Break-Even.
Nehmen Sie Analysen nicht so wichtig
Fundamentale und technische Analysemethoden sollten nicht überbewertet werden. Beide können allenfalls Indizien für die bevorstehende Marktbewegung sein. Technische Instrumente geben gute Leitlinien für Regeln in Handelsstrategien, an die man sich halten kann, aber stellen keine Glaskugel dar. Eine wahrscheinliche Ursache dafür, dass manche dieser Techniken mitunter perfekt zu funktionieren scheinen, ist, dass die Küstenlinie der kurzfristigen Preisbewegungen so lang ist und genau wegen dieser vielen Situationen immer auch zufällige Treffer entstehen.
The Alpha Engine
In den letzten Jahren hat Richard Olsen sein Handelskonzept weiterentwickelt und dies in einer neuen Studie mit dem Titel „The Alpha Engine: Designing an Automated Trading Algorithm“ zusammengefasst (frei im Internet verfügbar). Darin beschreibt er das grobe Konzept für eine profitable Mean-Reversion-Strategie, die dem Markt Liquidität bereitstellt und auf den Prinzipien aufbaut, die wir in diesem Artikel zusammengefasst haben.
Fazit
Richard Olsen hat im beschriebenen Paper seine wichtigsten Trading-Prinzipien zusammengefasst. Diese basieren stark auf seinem Mean-Reversion-Denken aus dem Forex-Bereich, lassen sich aber auch gut auf andere Märkte übertragen. Viele Ratschläge sind erfahrenen Tradern bekannt, wobei das temporäre Verbilligen von Verlustpositionen im Widerspruch zum sonst üblichen Ratschlag steht. Zwar ergibt dies im Rahmen des gesamten Handelsmodells Sinn, ist aber für Einsteiger nicht unbedingt zu empfehlen – das gilt vor allem dann, wenn sie ihr Risiko-Management noch nicht im Schlaf beherrschen.
Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 02.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.
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