"Mark Douglas: Der Kern allen Tradings – Lernen Sie, den Zufall zu akzeptieren"

Erwartungen erzeugen Emotionen

Viele Trader spüren früher oder später negative Emotionen wie Enttäuschung und Frustration, wenn ihre Muster und Handelsstrategien eine Zeitlang scheitern. Negative Emotionen im Trading sind oft das Resultat von unerfüllten Erwartungen, die man an einen bestimmten Trade knüpft. Das liegt daran, dass man im Vorfeld bestimmte Erwartungen an den Verlauf des jeweiligen Trades hat. Schließlich würde man die entsprechende Position ansonsten gar nicht eingehen, oder?

An diesem Punkt setzt das Interview an. Mark Douglas hinterfragt diese Annahme und kommt zu einem gegenteiligen Ergebnis: Bei einem einzelnen Trade sollte man keine bestimmte Erwartung haben und jedes mögliche Ergebnis akzeptieren können.Auf diese Weise lassen sich negative Emotionen im Trading vermeiden und eine dauerhaft konsequente Umsetzung sicherstellen.

B1 Mark Douglas: Mind over Market

Dies ist ein Ausschnitt aus dem Interview von Jared Levy (Wizetrade TV) mit Mark Douglas, das der YouTube-Nutzer Stelios Stylianou im Mai 2012 hochgeladen hat. (Quelle: www.youtube.com)

Allerdings ist es schwer, diese Philosophie tatsächlich zu verinnerlichen. Denn vom Ablauf her sehen wir im Trading zuerst das Muster beziehungsweise Handelssignal, und platzieren dann unseren Trade. Deshalb ist es erst einmal nachvollziehbar, dass wir, wie eingangs beschrieben, automatisch eine konkrete Erwartungshaltung mit dem Trade verbinden.

Anders ist es zum Beispiel an einem Spielautomaten. Hier wird erst der „Trade“ platziert (Einsatz), und dann sehen wir das Ergebnis. Deshalb verstehen wir viel besser, dass es schief gehen kann, haben keine wirkliche Erwartung und sind auch kaum enttäuscht, wenn wir verlieren. Das gilt selbst dann, wenn es sich um einen Spielautomaten mit einer für uns positiven 60:40-Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn oder Verlust in gleicher Höhe handeln würde. Denn ein einzelner Versuch oder auch eine kurze Serie von Versuchen, so verstehen wir es bei diesem Automaten, ist letztlich reiner Zufall. Es ist das gleiche Prinzip wie im Trading, nur fiebern wir an der Börse bei jedem Durchgang viel stärker mit. Und dies allein wegen der Reihenfolge – weil wir erst das Muster oder Signal sehen (Erwartungshaltung), und dann den Einsatz erbringen.

Die Erwartungshaltung vermeiden

Eine Möglichkeit, die Erwartungshaltung zu reduzieren, besteht deshalb darin, Trading als einen Spielautomaten zu betrachten, der eine 60:40-Wahrscheinlichkeit zu unseren Gunsten bietet. Das bringt uns gedanklich näher an das Ziel, gutes Trading als reinen Prozess zu sehen, der sich erst über viele sauber umgesetzte Durchgänge auszahlt. Denn tatsächlich basieren technische Muster ebenso wie die einzelnen Durchgänge an einem Spielautomaten lediglich auf Wahrscheinlichkeiten. Wenn ein bestimmtes Muster in 60 von 100 Fällen funktioniert und in den restlichen 40 Fällen scheitert, dann hilft uns das überhaupt nicht dabei, bei einem bestimmten Trade zu beurteilen, ob es funktionieren wird oder nicht. Negative Emotionen im Trading können somit vermieden werden, wenn man das Ergebnis einzelner Trades als Teil eines statistischen Prozesses sieht. Im Einzelfall hat das Auftreten des Musters oder Signals absolut nichts damit zu tun, ob wir richtig oder falsch liegen werden, denn wir können die Abfolge der einzelnen Ergebnisse unmöglich kennen.

Um es noch deutlicher zu sagen: Es gibt niemals Sicherheit darüber, ob ein Muster oder Signal beim nächsten Mal funktionieren oder scheitern wird. Ein- und dasselbe Pattern, von der Struktur her völlig identisch, kann jetzt hervorragend funktionieren und beim nächsten Mal ohne erkennbaren Grund grandios scheitern. Es gibt am Markt im Einzelfall einfach keine Garantien dafür, dass dieses oder jenes passiert. Niemand kann wissen, welche neuen Market-Orders nach dem letzten Trade plötzlich aufkommen und den Preis nach oben oder unten bewegen, indem sie gegen bestehende Limit-Orders ausgeführt werden. Es ist einfach unmöglich, dies zu prognostizieren. Alles, was man statistisch ermitteln kann, ist eine Wahrscheinlichkeit, dass sich die Mehrheit der Marktteilnehmer auf Basis bestimmter Muster tendenziell eher auf die eine oder die andere Art positioniert – im Durchschnitt und gemessen anhand vieler möglichst ähnlicher Situationen.


B2 Intraday-Bodenbildung als Muster-Beispiel

Nachdem der Markt Intraday um mehr als 100 Punkte vom Hoch fiel, stabilisierten sich die Kurse. Erneute Anläufe nach unten scheiterten, und der Markt schien einen Boden auszubilden. Damit war das Risiko eines Long Trades klar definiert. Gleichzeitig ergab sich aus der verengten Kursspanne ein deutliches Umkehrpotenzial nach oben, da der übergeordnete Trend aufwärts verlief. Diese Bedingungen können ein Muster definieren. (Quelle: www.tradesignalonline.com)

B3 Intraday-Bodenbildung scheitert

Selbst dann, wenn Muster, wie die in Bild 2 gezeigte Bodenbildung, im Durchschnitt funktionieren, ermöglicht das keine Aussage über den Einzelfall. Dieser Chart zeigt, was im Beispiel aus Bild 2 wirklich passierte. Das exakt gleiche Muster kann anders verlaufen, wenn die Marktteilnehmer, die den Kurs in die jeweilige Richtung bewegen sollten, nicht oder nicht ausreichend stark aktiv werden. Dies liegt vollständig außerhalb der Kontrolle jedes Händlers. Man muss verstehen und vor allem akzeptieren, dass jegliche Muster im Einzelfall zufällig funktionieren oder scheitern werden. (Hinweis: Das Beispiel dient lediglich der Veranschaulichung. Da wir keine völlig identischen Muster finden können, haben wir in Bild 2 die fünftletzte Kerze per Schlusskurs am Hoch belassen und die letzten vier Kerzen gespiegelt sowie mit getauschten Farben dargestellt. Bild 3 zeigt den Original-DAX-Chart vom 10. Januar 2018.) Quelle: www.tradesignalonline.com

Die anderen bewegen den Markt

Der Grund dafür, dass ein einzelner Trade niemals prognostizierbar sein kann, ist also, dass andere (!) Marktteilnehmer nach unserem Einstieg in den Markt kommen und ihn bewegen müssen, um uns einen Gewinn oder Verlust zu bescheren. Ob das jedoch tatsächlich passieren wird, ist im Einzelfall völlig ungewiss. Manchmal reagieren andere Marktteilnehmer vielleicht auf ein bestimmtes Muster, aber ein anderes Mal nicht. Vielleicht sind sie das eine Mal präsent und haben frische Gelder anzulegen, oder sie kommen mit einer langen Liste von Verkaufspositionen, was jeweils deutliche Bewegungen auslösen kann. Ein anderes Mal gibt es womöglich einfach keine Anpassungen vorzunehmen und entsprechend überhaupt keine Reaktion auf ein ansonsten identisches Muster. Diese Dinge liegen stets außerhalb unseres möglichen Wissens- und Einflussbereichs.

Alles, was wir tun können, ist zu erkennen, wann der Trade nicht funktioniert und den Markt dann per Ausstiegsorder zu verlassen. Denn wenn das, was anhand des Musters im Durchschnitt passieren sollte, nicht passiert, haben wir alles richtig gemacht und müssen trotzdem einen kleinen Verlust realisieren. Gleichzeitig ist es wichtig, bei der nächsten Gelegenheit unverändert gemäß der wahrscheinlichsten Reaktion zu handeln. Man muss dann erneut und ungeachtet des letzten Trades erwarten, dass bei Ausbildung des Musters die Chancen gutstehen, dass andere Marktteilnehmer aktiv werden und den Markt in unsere Richtung bewegen – auch dann, wenn sie es beim letzten Mal aus irgendeinem Grund nicht getan haben.

Das Verrückte am Trading ist also, dass man zwei sehr verschiedene Dinge glauben muss:

  • Ein Muster oder Signal hat auf Basis von Untersuchungen statistische Signifikanz. Es ist wahrscheinlich, dass an dieser Stelle andere Marktteilnehmer aktiv werden und den Kurs in eine bestimmte Richtung bewegen.
  • Ein einzelner Trade ist ein zufälliges Ergebnis einer langen Reihe von Versuchen. Nur indem man ein zufälliges Ergebnis akzeptiert, wird es möglich, dauerhaft konsistent zu handeln und am Ende tatsächlich den Erwartungswert der Strategie zu realisieren.

Der Kern allen Tradings

Der zweite Punkt ist der Kern allen Tradings. Wenn ein Muster auftaucht, das wir anhand einer Statistik analysiert und klassifiziert haben, dann gibt es absolut nichts, worüber man nachdenken muss. Ein professioneller Trader fokussiert sich dann auf seine Orders und eine möglichst gute Ausführung. Er spult seine Routine ab und akzeptiert jegliches Ergebnis, das der Markt im Einzelfall hervorbringt.

Ein Anfänger wird dagegen unsicher sein und versuchen „zu denken, um zu wissen“. Mit anderen Worten: Er möchte gern herausfinden, ob das Muster nun funktioniert oder nicht. Genau das ist aber ein unmögliches Unterfangen, wie wir bereits beschrieben haben. Alles, was man damit bezweckt, ist nur eines: sich den Zweifeln und Ängsten hinzugeben, die das Gehirn permanent erfindet. Auf diese Weise werden Sie es niemals schaffen. Dann kennen Sie zwar vielleicht ein paar profitable Muster und Strategien, aber schaffen es nicht, diese konsequent umzusetzen. Sie wissen, dass Sie nah dran sind, den Sprung in die Gewinnzone zu schaffen, aber kommen einfach nicht zum Ziel. Denn das, was fehlt, ist der beschriebene Perspektivenwechsel: Hören Sie auf, den Einzelfall zu durchdenken, akzeptieren Sie ein zufälliges Ergebnis und vertrauen Sie Ihrem Prozess. Wer es schafft, diesen Schalter im Kopf umzulegen, kann sich zum professionellen Trader entwickeln.

Fazit

Mark Douglas hatte das Talent, die entscheidenden psychologischen Zusammenhänge im Trading herauszuarbeiten und anschaulich zu erklären. Er betonte immer wieder, wie wichtig es ist, negative Emotionen im Trading zu erkennen und zu überwinden, um langfristig erfolgreich zu sein. Die Botschaft aus dem beschriebenen Interview ist vielleicht die wichtigste, die Sie im Trading verinnerlichen können. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, viele Jahre damit zu verbringen, das Gleiche letztlich durch eigene schmerzliche Erfahrungen zu lernen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.


Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 03.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.

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