Im Trading gehört es zum Geschäft dazu, dass nicht nur Gewinne anfallen, sondern auch Verluste auftreten. Gerade zu Beginn einer Trader-Karriere müssen meist einige Rückschläge hingenommen werden, bis ein passender und erfolgreicher Handelsstil gefunden ist. Das Chance/Risiko-Verhältnis im Trading ist dabei eine entscheidende Kennzahl, um langfristig erfolgreich zu sein. Damit aber das Handelskonto nicht von Anfang an in den roten Zahlen steckt, ist ein konkretes Risiko-Management unerlässlich.
Innerhalb des Tradings ist es wichtig, seine Chance gegenüber dem Risiko der Position abzuwägen. Mit der Kenntnis über das anfängliche Risiko, das mit Eröffnung der Position einhergeht, und dem festgelegten möglichen Gewinn, lässt sich ein wesentliches Kernelement des Risiko-Managements festlegen: das Chance/Risiko-Verhältnis (CRV).
Was ist das CRV?
Das Chance/Risiko-Verhältnis ist eine zentrale Kennzahl für jede Anlageentscheidung. Es beschreibt das Verhältnis des erwarteten Gewinns (Chance) zum möglichen Verlust (Risiko). Wenn Sie eine Position eingehen, verbinden Sie damit eine Gewinnerwartung (Kursziel), andererseits können Ihnen aber auch Verluste entstehen. Diesen Verlust begrenzen Sie in der Regel durch einen Stopp. Die Differenz zwischen Einstiegspreis und Kursziel definiert die Chance, die Differenz zwischen Einstiegspreis und Verlustbegrenzungsstopp das Risiko.
Die Formel für das CRV bei einem Long Trade lautet:
CRV = (Kursziel – Kaufkurs) / (Kaufkurs – Stoppkurs)
Bei dieser Formel müssen im Hinblick auf den möglichen Gewinn Annahmen getroffen werden. Die Höhe der Verluste lässt sich dagegen im Rahmen des Risiko- und Money-Managements recht präzise festlegen. Dafür müssen Sie im Vorfeld eines Trades einige Fragen beantworten:
- Was ist mein Zeithorizont?
- Wie risikobewusst bin ich?
- Wie gut halte ich es aus, Positionen zu halten, die im Gewinn beziehungsweise Verlust liegen?
- Wo platziere ich meinen Stopp für den Fall, dass das Setup scheitert?
- Wo platziere ich meinen Ausstieg für den Fall, dass das Setup gelingt?
Haben Sie diese Parameter Ihres Trades festgelegt, geht es darum, ein passables CRV zu erreichen. Im Allgemeinen wird empfohlen, nur Geschäfte einzugehen, deren CRV mindestens 1,5:1 bis 3:1 beträgt. In diesem Fall ist Ihre Gewinnchance das 1,5- beziehungsweise Dreifache des Risikos.
Auch können Sie aus dem Chance/Risiko-Verhältnis ablesen, wann ein Trade sinnvoll ist und wann nicht. Wenn Sie von vornherein wissen, dass Sie weniger bekommen, als Sie riskieren, dann ist diese Investition nicht sinnvoll – es sei denn, Ihre Trefferquote ist sehr hoch.
R-Vielfache
Zum besseren Verständnis haben wir ein Beispiel vorbereitet (Bild 1):
B1 Das Chance/Risiko-Verhältnis
Ein Trader eröffnet eine Position bei 100 Euro und erwartet eine Bewegung nach oben bis 120. Zum Schutz setzt er einen Stopp bei 95. Das CRV ist somit 20 / 5 = 4:1. Quelle: www.traders-mag.com
Ein Trader kauft die Aktie X zu 100 Euro und setzt seinen Stopp bei 95 Euro. Das Einstiegsrisiko beträgt demnach fünf Euro. Das Gewinnziel legt er bei 120 Euro fest, was einer Chance von 20 Euro entspricht. Das CRV ist entsprechend 4:1 (20 / 5).
In diesem Zusammenhang können wir auch den Begriff R-Vielfache einführen. Das R-Vielfache ist der Gewinn oder Verlust eines Trades in Relation zum jeweils eingegangenen Einstiegsrisiko. Erreicht unser Beispiel-Trade das Gewinnziel, führt das zu einem R-Vielfachen von vier (Trade-Ergebnis / Risiko = 20 / 5). Würde der Trade aber ausgestoppt, betrüge das R-Vielfache minus eins (-5 / 5).
Mithilfe der Kennzahl lässt sich auf einen Blick sehen, wie oft das Positionsrisiko verdient oder verloren wurde, um so bei der Nachbearbeitung die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Die Strategie eines Traders kann beispielsweise so aussehen, dass er immer ein R-Vielfaches von mindestens zwei erreichen will, und somit stets das doppelte Risiko verdient.
Der richtige Umgang mit dem CRV
Das Problem beim CRV ist, dass Sie die Gewinnchance nur schätzen können – anders als das Risiko, das durch Ihren festgelegten Stopp-Loss bereits vor Trade-Beginn definiert ist. Eine Schätzung macht diese Kennzahl jedoch sehr anfällig, denn es stellt sich die Frage, wie realistisch ist es wirklich, dass die Aktie den Zielkurs erreicht? Diese Frage ist nicht sicher zu beantworten, sondern wird vielmehr von Erfahrungswerten gestützt. Auch hier können statistische Mittel genutzt werden, um die Chance möglichst gut zu bestimmen.
Hat sich beispielsweise eine Aktie seit Jahresbeginn bereits 30 Prozent vom Tief aus nach oben bewegt, und Sie wissen aus einer entsprechenden Untersuchung, dass in der Vergangenheit die Schwankungsbreite innerhalb eines Jahres nur selten über 40 Prozent lag, so können Sie die aktuelle Chance mit einem Kursgewinn von nochmals zehn Prozent bestimmen. Auch zentrale Unterstützungen oder Widerstände können für die Bestimmung der Chance herangezogen werden.
Dabei ergibt es aber keinen Sinn, ein Ziel zu wählen, das in unmittelbarer Nähe zum Einstiegspunkt liegt, nur um einen schnellen Gewinn zu erzielen. In diesem Fall steigt zwar die Trefferquote, doch kann ein größerer Verlust die vielen kleinen Gewinne wieder zunichtemachen. Daran zeigt sich auch das Zusammenspiel von Trefferquote und CRV: Je höher das CRV, desto niedriger die Trefferquote und umgekehrt.
Fazit
Das CRV ist eine absolute Schlüsselgröße im Trading. Wie der Trader Risiken absichert und Gewinne realisiert, hat erheblichen Einfluss auf den Erfolg eines Trades. Sie sollten sich immer darüber im Klaren sein, auf welchem Zeithorizont Sie handeln, wie Ihre Risikobereitschaft ist und ob Sie es aushalten, Trades längere Zeit laufen zu lassen. Daraus leitet sich ab, wie Sie Ihre Handelsstrategie im Detail ausgestalten. Da das CRV keine statische Gegebenheit, sondern eine äußerst dynamische Kennziffer ist, ändert es sich während eines Trades permanent. Eine ausschließliche Fokussierung auf das CRV erscheint aber keinesfalls sinnvoll. Denn auch eine Strategie mit einem sehr geringen Profit pro Trade kann Gewinne erwirtschaften, wenn nur wenige Verluste anfallen.
Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 05.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.
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