"JOHN WHITE: Prop Trading im Jahr 2018"

TRADERS´: VIELE TRADING-EINSTEIGER TRÄUMEN DAVON, EINMAL ALS HÄNDLER ARBEITEN ZU KÖNNEN. IN DER REALITÄT IST TRADING ABER EIN HARTER JOB, FÜR DEN MAN GEWISSE GRUNDVORAUSSETZUNGEN MITBRINGEN MUSS. WONACH SCHAUEN SIE BEI NEUEN TRADERN, DIE BEI IHNEN ARBEITEN MÖCHTEN?

White: Grundsätzlich stimmt es, dass sich anfangs viele fürs Trading begeistern können. In der Praxis fehlt es den meisten aber einfach an der Bereitschaft, es voll durchzuziehen. Nur wenige haben am Ende das Zeug, dauerhaft vom Trading leben zu können. Man muss Spaß daran haben, den ganzen Tag lang auf Zahlen am Monitor zu schauen, Statistiken zu analysieren und immer wieder kalkulierte Risiken einzugehen. Erfolgreiches Trading ist und bleibt harte Arbeit.

TRADERS´: WOHER KOMMEN DIE TRADER, DIE BEI IHNEN ARBEITEN?

White: Die meisten Kandidaten kommen frisch von der Universität. Im Idealfall absolvieren sie schon während des Studiums ein mehrwöchiges Praktikum bei uns, wodurch wir einen sehr guten Einblick bekommen, ob sie die nötige Begeisterung fürs Trading sowie die entsprechenden persönlichen Voraussetzungen mitbringen. Positiv sind neben guten Studienleistungen Dinge wie sportlicher Ehrgeiz und strategisches Gespür auf angrenzenden Gebieten wie etwa Poker oder Schach. Darüber hinaus stellen wir auch erfahrene Trader ein, die einen entsprechenden Track Record vorweisen können, sowie geeignete Kandidaten mit hervorragenden Voraussetzungen, die noch keine Trading-Erfahrung haben. Die meisten Trader bei uns haben jahrelange und einige sogar jahrzehntelange Erfahrung – einer sogar mit 40 Jahren Erfahrung, der damals am Chicago Board of Trade angefangen hat.

TRADERS´: GERADE FÜR TOPABSOLVENTEN GIBT ES IN DUBLIN UND ANDEREN GROSSSTÄDTEN VIELE ATTRAKTIVE ALTERNATIVEN ZUM RISKANTEN TRADING-JOB.

White: Momentan ist es tatsächlich so, dass gute Absolventen nahezu garantiert in einem hochbezahlten Job durchstarten können.  Es gehört also schon etwas Mut dazu, es stattdessen im Trading zu versuchen, wo es kein sicheres Gehalt gibt und man als selbstständiger Händler einsteigt. Diese Abwägung ist nicht leicht und ich kann jeden verstehen, der sich für einen sicheren Job entscheidet. Beim Trading muss man zudem oft kurzfristige Einbußen hinnehmen, um eventuell langfristig den großen Erfolg zu landen. Tatsächlich aber schaffen es eben nur wenige, was diesen Beruf zur riskanten Wahl macht. In anderen Eigenhandelsfirmen beispielsweise in London ist es sogar so, dass man noch dafür zahlen muss, sich im Trading ausbilden zu lassen. Das ist bei uns nicht der Fall.

TRADERS´: WAS BRINGEN SIE STUDENTEN BEI, DIE BEI IHNEN EIN PRAKTIKUM DURCHLAUFEN?

White: Wichtig ist zu akzeptieren, dass es innerhalb eines Praktikums von sechs Wochen nahezu unmöglich ist, bereits dauerhaft profitabel zu werden. Wir schulen die Teilnehmer vor allem in Sachen Risiko-Management und achten darauf, dass sie sich dann auch daran halten. Zwar handeln sie grundsätzlich nur am Simulator, aber die Denkweise und das richtige Vorgehen müssen einfach verinnerlicht werden.

TRADERS´: TRADING AM SIMULATOR WIRD OFT ALS NICHT AUTHENTISCH KRITISIERT. LERNEN DIE TEILNEHMER HIER WIRKLICH, WIE SICH TRADING AM ECHTEN MARKT ANFÜHLEN WIRD?

White: Wir sehen das anders. Wer wirklich ernsthaft Trading erlernen möchte, wird es auch schaffen, die Simulation ernst zu nehmen und es als wichtige Trockenübung für die spätere Praxis zu betrachten. Angehende Piloten üben heikle Situationen schließlich auch am Simulator und nicht im echten Flugzeug. Neben dem Risiko- Management müssen die Teilnehmer aber auch lernen, dass es letztlich tagein, tagaus harte Arbeit ist, Geld am Markt zu verdienen. Erfolgreiches Trading erfordert ein tiefes Verständnis und eine präzise Anwendung der erlernten Fähigkeiten. Sie lernen, das Orderbuch zu lesen, immer über anstehende Termine und Nachrichten informiert zu sein und mit Charts zu arbeiten. Dazu können sie auf unsere Kalender-Tools, den Twitter-Nachrichten- Stream und unsere Squawk-Box zugreifen. Sie lernen, vor wichtigen Nachrichten keine Positionen zu halten. Die meisten Strategien der Praktikanten sind Intraday ausgerichtet, sodass sie in der kurzen Zeit möglichst viel Erfahrung sammeln können.

TRADERS´: IHRE AKTIVEN TRADER HANDELN ALSO AUCH AUF HÖHEREN ZEITEBENEN?

White: Ja, unsere aktiven Trader können Positionen über Tage und Wochen halten. Hier sind die Strategien sehr unterschiedlich. Wir handeln im Unternehmen insgesamt mit mehr als 200 verschiedenen Futures-Kontrakten, sodass wir ziemlich gut diversifiziert sind.

TRADERS´: GIBT ES PROBLEME, WENN TRADER SPÄTER VON DER SIMULATION AUF ECHTGELDHANDEL UMSTEIGEN?

White: Manchmal schon, aber meist klappt der Übergang recht reibungslos. Das hängt auch damit zusammen, dass der Echtgeldhandel natürlich zunächst mit kleinen Positionsgrößen beginnt. Anfangs handeln Trader bei uns ein bis zwei Futures-Kontrakte, dann vier, und bei erfolgreicher Umsetzung später entsprechend mehr. Unsere Top-Trader handeln in einigen Strategien teils vierstellige Kontraktzahlen.

TRADERS´: WELCHE STRATEGIEN WERDEN BEI IHNEN GEHANDELT?

White: Grundsätzlich handeln wir nur mit Futures, wobei die Zeitebene je nach Trader deutlich variieren kann. Neben klassischen Trendfolge- und Mean-Reversion-Trades arbeiten wir stark mit relativen Ansätzen wie dem Pairs Trading. Was die Analysetechniken angeht, verwenden unsere Trader sowohl technische als auch fundamentale Ansätze beziehungsweise einen Mix aus beiden; außerdem setzen sie diesen Ansatz vor allem bei Rohstoff-Futures ein. Dabei nimmt die fundamentale Seite eher an Bedeutung zu. Wir kaufen hier auch Research ein – anders als früher aber weniger Expertise in Technischer Analyse und mehr fundamentales Research.

TRADERS´: GIBT ES BEI IHNEN AUCH AUTOMATISIERTE STRATEGIEN?

White: Wir haben einen starken Fokus auf manuelles Trading, was auch mit unserer Unternehmensgeschichte zu tun hat. Wir sind aus einer in London ansässigen Eigenhandelsfirma entstanden, die sich zunehmend auf automatisierte Handelsstrategien fokussierte. Dort wurde dann viel in Research und Entwicklung investiert, ohne jedoch jemals eine Rendite dafür zu bekommen. Das Ganze ist also gescheitert. Meine heutigen Kollegen und ich waren schon damals diskretionär besser darin, sich günstig am Markt zu positionieren und Dinge zu antizipieren und wir sind nach wie vor vom manuellen Trading-Ansatz überzeugt. Ein gutes Beispiel für unseren Erfolg war die Brexit-Entscheidung im Jahr 2016, was der wohl profitabelste Tag in unserer Geschichte war. Erfolgreiches Trading erfordert jedoch auch eine Balance zwischen manuellen und automatisierten Methoden. Soweit ich mich erinnere, hat jeder einzelne Trader hier an diesem Tag Gewinn gemacht. Dennoch haben wir inzwischen auch verschiedene automatische und halbautomatische Strategien, die den ganzen Tag über laufen. Der Schlüssel ist dabei, dass wir jederzeit eingreifen können, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert.


Philosophien im Trader-Training

  • Ergreife die Initiative, um dich zu verbessern, und warte nicht darauf, dass andere es dir beibringen.
  • Höre niemals auf zu lernen, lies regelmäßig und probiere neue Trading-Techniken und Research-Ansätze aus. Der Markt verändert sich immer wieder, und du musst neue Wege finden, damit umzugehen.
  • Sei flexibel und bereit, deine Meinungen und Methoden zu ändern. Indem du dich immer wieder anpasst, bleibst du im Spiel.
  • Es gibt keine dummen Fragen. Die Details im Trading können kompliziert sein; daher frag immer nach, wenn du etwas nicht verstehst.
  • Wiederhole regelmäßig die Dinge, die du schon gelernt hast, um sie auch wirklich zu verinnerlichen.
  • Beurteile deinen Trading-Prozess täglich, wöchentlich und monatlich, führe ein detailliertes Trading-Tagebuch mit den wichtigsten Statistiken und besprich deine Entwicklung regelmäßig mit deinem Coach oder Mentor.
  • Trainiere effizient im sicheren Umfeld des Simulators, indem du den Markt intensiv beobachtest, viel handelst und dabei ständig neue Sachen ausprobierst. Beobachte auch, wie andere Trader vorgehen.

Quelle: Trading-Handbuch, Positive Equity


TRADERS´: HABEN SIE AUCH EIN BEISPIEL DAFÜR, WIE DIE EINSCHÄTZUNGEN IHRER TRADER DANEBENLAGEN?

White: Ja, natürlich passiert das auch. So zum Beispiel zur Trump-Wahl, wo wir mit unseren Trades auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Hier konnten wir aber Risiken begrenzen und am Ende einen moderaten Verlust verbuchen.

TRADERS´: WIE GEHEN TRADER BEI IHNEN MIT GEWINN- UND VERLUSTSERIEN UM?

White: Wenn einer unserer Händler eine schlechte Phase hat, sollte er seine Positionsgrößen möglichst schnell und deutlich reduzieren. Das ist im Prinzip die ideale Lösung, um sich wieder zurückarbeiten zu können. Kommt es statt einer Serie kleiner Verluste zu einem großen Verlust, der eine gewisse Grenze übersteigt, bekommt der Trader eine Zwangspause verordnet. Läuft es dagegen gerade sehr gut und der Händler hat eine Gewinnserie, sollte er auch Gas geben und das Optimum herausholen können.

TRADERS´: WIE SIEHT DIE GEWINNBETEILIGUNG AUS?

White: Anfangs ist sie 50:50. Der Trader behält also die Hälfte seiner erzielten Gewinne. Erfolgreiches Trading zeigt sich auch darin, wie sich die Gewinnbeteiligung mit der Zeit zu Gunsten des Traders erhöht. Mit zunehmendem Erfolg steigt die Quote weiter zu Gunsten des Traders, ohne dass ich hier genaue Zahlen nennen möchte. Mit unseren Top-Tradern unternehmen wir auch jedes Jahr einen Ausflug. Letztes Jahr waren wir zum Beispiel in München auf dem Oktoberfest.

TRADERS´: WIR KENNEN GESCHICHTEN, NACH DENEN POKERSPIELER GUTE TRADER WERDEN KÖNNEN. HABEN SIE HIERZU ERFAHRUNGEN GEMACHT?

White: Grundsätzlich glaube ich, dass Erfahrung in strategischen Spielen wie Poker ein Vorteil im Trading ist. Allerdings habe ich auch ein Gegenbeispiel. Wir hatten einen erfolgreichen Pokerspieler ins Team geholt, den wir anfangs, wie jeden neuen Trader, am Simulator handeln ließen. Allerdings ergab sich dabei ein Problem: Er konnte den Simulator nicht respektieren. Statt Verluste zu realisieren, solange sie klein waren, missachtete er wiederholt die Regeln des Risiko-Managements. Am Ende verließ er uns und ging einen anderen Weg. Konsequentes Risiko-Management ist und bleibt einer der Grundpfeiler dauerhaften Trading-Erfolgs, an dem kein Weg vorbeiführt.

TRADERS´: DAS IST AUCH EINE DER WICHTIGSTEN BOTSCHAFTEN UNSERES MAGAZINS. UND DOCH WIRD DIESER PUNKT IMMER WIEDER VERNACHLÄSSIGT.

White: Man kann tage- oder wochenlang immer wieder kleine Verluste machen. Das ist überhaupt kein Problem und früher oder später erwischt jeder mal so eine Phase. Erfolgreiches Trading erfordert jedoch disziplinierte Risikokontrolle und Geduld. Was aber nicht geht: in den Hoffnungsmodus zu verfallen und die Kontrolle über das Risiko zu verlieren. Wenn ich einen schlechten Trade habe oder etwas Unerwartetes am Markt passiert, was ich nicht verstehe oder nicht einordnen kann, dann muss ich raus aus der Position. Nur so sichert man sein Überleben auf Dauer und hat genug Zeit, die Lernkurve zu meistern. Und diese Zeit braucht jeder, denn es gibt viel mehr zu lernen, als man am Anfang erwartet hätte. Die größte Hürde ist es aus meiner Sicht, lange genug dabeizubleiben, um auf das Niveau der echten Profis zu kommen.

TRADERS´: WIE SEHEN SIE HEUTE ALLGEMEIN DIE PERSPEKTIVEN IM EIGENHANDEL?

White: Einerseits muss man natürlich sagen, dass es nicht einfacher wird. Der Markt wird im Zeitablauf effizienter, die Regularien für uns als Firma nehmen zu und die Kosten ziehen an. Andererseits gibt es immer noch jede Menge Gelegenheiten, um Trading-Gewinne zu erzielen. Das gilt vor allem dann, wenn am Markt viel los ist und hohe Volatilität herrscht. Ich würde daher nicht sagen, dass das Gewinnpotenzial insgesamt abgenommen hat.

TRADERS´: ALLERDINGS WAR DAS JAHR 2017 GERADE IM AKTIENBEREICH AUFGRUND DER NIEDRIGEN VOLATILITÄT SEHR SCHWIERIG.

White: Das stimmt, für Eigenhandelsfirmen war es ein schweres Jahr. Es gibt einige Firmen in London, die letztes Jahr aus dem Markt gefegt wurden. Die richtige Strategie war es, defensiv zu sein und das eigene Überleben ganz oben auf die Agenda zu setzen.

TRADERS´: WELCHEN TIPP WÜRDEN SIE UNSEREN LESERN MIT AUF DEN WEG GEBEN?

White: Das Wichtigste an den Märkten ist es, sich anzupassen und weiterzuentwickeln. Erfolgreiches Trading erfordert ständige Anpassung und Lernbereitschaft. Unsere Top-Trader handeln heute zum Teil ganz andere Strategien als vor fünf Jahren. Sie beschäftigen sich ständig mit neuen Ideen, Strategien und Märkten. Vielleicht probieren sie etwas Neues aus, was kurzfristig weniger gut funktioniert, aber dafür das Potenzial hat, später mal ein großer Erfolg zu werden. Nur mit diesem Experimentieransatz schafft man es, dauerhaft rechtzeitig bei neuen Märkten und Trends dabei zu sein. Ansonsten kann ich die klassischen Dinge empfehlen wie das Lesen von Büchern, vor allem im Bereich Psychologie, und die Betreuung durch einen erfahrenen Coach oder Mentor.


Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 09.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.

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