"Kolja Barghoorn: Aktien mit Kopf"

KOLJA BARGHOORN: HERR BARGHOORN, SIND SIE AUSSCHLIESSLICH LANGFRISTIGER ANLEGER ODER AUCH IM TRADING AKTIV?

Barghoorn: Nun ja, ich betreibe sicher kein Daytrading, aber würde bei einigen meiner Investments durchaus von Spekulation sprechen – nennen wir es Szenario-Spekulation. Wenn ich zum Beispiel vermute, dass ein neues Produkt bei einem Unternehmen in den kommenden Monaten besser angenommen wird, als es der Markt erwartet, dann ist das für mich ein Trade, der vielleicht auf einem Zeithorizont von sechs Monaten basiert. Man kann das also als längerfristiges Positions-Trading bezeichnen. Dabei habe ich ein grobes Renditeziel und eine Verlustschwelle, die nicht überschritten werden sollte. Wirkliches Trading mit einer speziellen Handelsplattform und Hebelprodukten betreibe ich aber nicht. Lediglich Leerverkäufe sind ein Thema, dem ich mich gerade annähere, vielleicht setze ich in dieser Richtung in Zukunft etwas um. Der Hauptgrund, warum ich nicht kurzfristig aktiv bin, ist aber, dass mein Fokus auf dem YouTube-Kanal liegt, der viel Zeit in Anspruch nimmt.

KOLJA BARGHOORN: HABEN SIE KENNZAHLEN, NACH DENEN SIE IHRE INVESTMENTS BEURTEILEN?

Barghoorn: Ich habe eine ganz eigene Kennzahl, was meinen Anlageerfolg angeht, und zwar „Return On Time Invested“, also die Rendite für die dafür eingesetzte Arbeitszeit. Es ist eine Art Stundenlohn, wenn man so will. Es nützt mir nichts, mit riesigem Arbeitsaufwand ein bisschen Geld zu verdienen, da ich dann meine Zeit an anderer Stelle viel besser investieren kann.

KOLJA BARGHOORN: WIE SEHEN IHRE INVESTMENTS AUS?

Barghoorn: Zum großen Teil bin ich Stock Picker. Ich suche mir also bestimmte Aktien aus, auf die ich setze. Dabei gehe ich nach dem unternehmerischen Denkansatz vor, mich eher als Bauer statt als Jäger zu sehen. Ich möchte in Aktien investieren, die sich wirklich entwickeln und wachsen können.


B1 Verspätetes Produkt-Release als Einstiegschance

Take-Two Interactive Software ist ein gutes Beispiel für eine von Kolja Barghoorns jüngsten Aktienpositionen. Die Unternehmensführung ist dort selbst investiert. Als der Veröffentlichungstermin eines neuen Spiels zweimal verschoben werden musste, ging der Kurs deutlich zurück. Kolja Barghoorn sah darin seine Einstiegschance, da er davon ausging, dass dies letztlich ein positives Signal für die spätere Produktqualität ist, wenn das Unternehmen sich nicht mit einem halbfertigen Spiel zufriedengibt. Quelle: www.tradesignalonline.com

KOLJA BARGHOORN: AUF WELCHE KRITERIEN SCHAUEN SIE BEI DER AKTIENAUSWAHL?

Barghoorn: Besonders wichtig ist es für mich, dass die Leute an der Spitze echte Unternehmer sind, die einen realen Mehrwert schaffen möchten, und nicht nur reine Manager. Spekulation spielt für mich dabei eine untergeordnete Rolle, da ich vor allem auf die langfristige Entwicklung eines Unternehmens setze. Es ist viel wert, wenn die Unternehmensführung selbst investiert ist und ein Interesse am nachhaltigen Erfolg hat. Insgesamt setze ich gern auf Wachstumsunternehmen, die noch keine Dividende zahlen und noch positiv überraschen können. Ich bin also kein klassischer Value Investor. Meine Analyse fokussiert sich auf die fundamentalen Faktoren des einzelnen Unternehmens und weniger auf das wirtschaftliche Umfeld, Zinsentscheide und so weiter. Meiner Meinung nach kann ein guter Unternehmer in jedem Umfeld strategisch vorteilhaft agieren und sich den Umständen anpassen.

KOLJA BARGHOORN: HABEN SIE EIN SCHEMA, NACH DEM SIE SICH BEI IHREN ANALYSEN RICHTEN?

Barghoorn: Ja, ich nutze die klassische SWOT-Matrix (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats – Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken). Spekulation über zukünftige Entwicklungen spielt dabei eine Rolle, allerdings nur, wenn sie auf soliden Fundamentaldaten basiert. Es muss ein klarer Grund vorliegen, warum es Sinn macht, zu investieren – und die Risiken müssen überschaubar sein. Wenn es zu kompliziert wird und ich es nicht verstehen kann, dann lasse ich es lieber bleiben. Neben meiner SWOT-Analyse schaue ich mir auch den Online-Auftritt des Unternehmens an, und verschaffe mir einen subjektiven Eindruck.

KOLJA BARGHOORN: WIE FINDEN SIE DIE IDEEN FÜR AKTIEN, DIE SIE NÄHER UNTERSUCHEN?

Barghoorn: Oft kommen diese aus meinem Alltag – wenn ich zum Beispiel ein bestimmtes Produkt nutze oder sehe und dann schaue, wer es produziert, und ob es zum dazugehörigen Unternehmen eine Aktie gibt.

KOLJA BARGHOORN: IN WELCHEN MÄRKTEN FINDEN SIE DIE BESTEN AKTIEN?

Barghoorn: Mein Portfolio ist US-lastig, da es dort einfach die meisten börsennotierten Unternehmen gibt. Spekulation über neue Trends in diesen Märkten ist immer ein Teil meiner Überlegungen, aber sie darf nicht die fundamentalen Faktoren überdecken. Momentan halte ich insgesamt sechs oder sieben Aktienpositionen. Noch vor Kurzem waren es 13 oder 14, aber im Zuge der Marktkorrektur habe ich einige Positionen abgebaut.

KOLJA BARGHOORN: NEBEN EINZELAKTIEN INVESTIEREN SIE AUCH IN EXCHANGE TRADED FUNDS (ETFS). WIE GEHEN SIE HIER VOR?

Barghoorn: Bei ETFs investiere ich einen gewissen Geldbetrag und schaue dann nicht mehr großartig hin. Es ist eine Ultralangfrist-Investition für meine Altersvorsorge. Ich bin hier nach dem Einstieg total passiv und halte die Anteile, egal was passiert. Momentan halte ich Anteile an ETFs auf den MSCI Emerging Markets, den MSCI World, den S&P 500 und den Hang Seng.

KOLJA BARGHOORN: GLAUBEN SIE, DASS ETFS FÜR PRIVATANLEGER DAS BESTE PRODUKT ZUM VERMÖGENSAUFBAU SIND?

Barghoorn: Nicht unbedingt, denn es kommt auch darauf an, richtig mit diesen Instrumenten umzugehen. Die niedrigen Handelskosten verleiten heutzutage auch viele Leute dazu, mit ETFs ständig hin und her zu handeln, und am Ende einen Großteil der Performance zu verpassen. Das ist ein Fehler. Meiner Meinung nach sind ETFs nur dann optimal, wenn man sie wirklich langfristig hält.

KOLJA BARGHOORN: WAS GLAUBEN SIE, IST DER GRÖSSTE FEHLER VIELER ANLEGER?

Barghoorn: Ich denke, der größte Fehler ist es, nie anzufangen. Wer immer nur zuschaut, testet und überlegt, aber sich nicht entscheiden kann und nichts umsetzt, hat überhaupt nichts davon. Natürlich macht man in der Praxis auch Fehler, aber das gehört dazu und ist auf lange Sicht gar nicht so schlimm. Man muss solche Verluste als Lektion abhaken, anstatt ihnen nachzutrauern.


Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 06.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.

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