"Die Trader-Persönlichkeit: Teil 4: Trading als Profession"

Trading als Profession

Was heißt es überhaupt, dass Trading professionell angegangen werden muss, beziehungsweise eine Profession ist? Es heißt zunächst einmal, dass es sich um eine Tätigkeit handelt, die eine fachliche Spezialisierung voraussetzt und der mit einer gewissen – eben professionellen – Haltung nachgegangen werden muss. Professionelles Trading erfordert ein tiefes Verständnis der Märkte und eine fundierte Strategie, um erfolgreich zu sein. Es kann wohl gar nicht oft genug betont werden, dass Trading sich von bloßer Zockerei gerade hierdurch unterscheidet, dass Trader methodisch, idealerweise sogar wissenschaftlich vorgehen. Wir hatten dies schon ausgeführt: Trading ist der Einsatz von Fähigkeiten und Wissen, über die man nicht einfach so verfügt, die man aber durch disziplinierte (Selbst-)Ausbildung entwickeln und erwerben kann. Wer das hierfür erforderliche Maß an Disziplin und Selbstkontrolle nicht aufbringt, der wird sich nicht zum Trader machen können.

Der professionelle Rahmen

Professionalität im Trading heißt aber auch, über klar definierte Strukturen und Abläufe zu verfügen, in denen man arbeitet. Trading ist als ein gewinnorientiertes Unternehmen zu begreifen und zu betreiben. Das heißt, der Zweck dieser Tätigkeit liegt in der Erwirtschaftung von Gewinnen und nicht etwa in Spaß, Adrenalinrausch, Prestige oder dergleichen. Trading ist kein Hobby und der Erfolg der Trading-Unternehmung ist deshalb ausschließlich an der Bilanz zu bemessen – und zwar in längerfristiger Perspektive, denn nicht der einzelne Gewinn-Trade oder die Glückssträhne kennzeichnen den erfolgreichen Trader, sondern das über einen längeren Zeitraum hinweg möglichst stetig wachsende Konto.

Wenn hier gesagt wird, Trading sei als Unternehmen zu begreifen und zu betreiben, so ist das durchaus im vollen Wortsinne gemeint, wenn auch in der Regel der Trader selbst zugleich Chef, einziger Mitarbeiter und mit seinen persönlichen Fähigkeiten auch das wichtigste Kapital des Unternehmens ist. Der Erfolg dieses Unternehmens steht und fällt mit der Person des Traders.


B1 Schematischer Ablauf eines Trades

Ein professioneller Trading-Plan sollte alle Eventualitäten eines Trades abdecken, also den Gewinn- sowie den Verlustfall. Innerhalb des Plans legen Sie genau fest, wie Ihr Setup aussieht und aus welchen Gründen Sie wann in den Markt einsteigen. Danach gibt es zwei Möglichkeiten: Ihre Strategie funktioniert oder nicht. Für beide Fälle legen Sie vorher Regeln fest, an die Sie sich dann auch wirklich halten müssen. So werden panikartige Handlungen vermieden. Quelle: www.traders-mag.com

Wie jedes Unternehmen benötigt auch das eigene professionelle Trading einen Businessplan. Es muss zunächst einmal schriftlich genau ausgearbeitet werden, womit das zukünftige Einkommen erzielt werden soll, wie die Chancen stehen, welche Aufgaben anfallen und so weiter. Das heißt, es müssen unter anderem diese Punkte geklärt sein:

  • Welche Märkte sollen mit welchen Strategien getradet werden? Worauf gründet sich hierbei die Erfolgserwartung? Welches Backtesting wurde angestellt und warum können die Ergebnisse des Backtesting Aussagekraft für den realen Handel beanspruchen? Genauso wenig wie eine seriöse Firma ein Produkt auf den Markt bringen würde, ohne zuvor eine genaue Marktanalyse durchgeführt zu haben, sollte ein Trader keine Strategie einsetzen, ohne zuvor umfangreiche Analysen angestellt zu haben.
  • Mit welchen Investitionen (technisches Equipment, Weiterbildung, Trading-Kapital und so weiter) und sonstigen Kosten (Trading-Gebühren, Steuern, Trading-Verluste, Drawdown und so weiter) ist zu rechnen? Welche Gewinnziele werden in welchem Zeithorizont gesteckt? Decken die Einnahmen die Kosten und den Zeitaufwand?

Weitere Aufgaben

Die angesprochene Personalunion verlangt auch, dass der Trader neben seinem konkreten Markthandeln noch eine Reihe weiterer Aufgaben übernimmt, die in einem herkömmlichen Unternehmen auf verschiedene Personen beziehungsweise Abteilungen verteilt sind:

  • Es muss klar definierte Arbeitszeiten und Termine geben – nicht für den Handel selbst, sondern auch für alle sonstigen im Trading notwendigen Abläufe und Aufgaben wie Vorbereitung, Nachbereitung, Analyse und eigene Weiterbildung. Diese Arbeitszeiten und Aufgabenverteilung müssen schriftlich festgehalten werden und gelten genauso streng wie für einen Angestellten in einer herkömmlichen Firma. Dabei muss auch geklärt sein, ob der Trading-Ansatz überhaupt zeitlich bewältigt werden kann. Denn die meisten Privat-Trader gehen einer beruflichen Tätigkeit nach und beides muss unter einen Hut gebracht werden. Wer noch einen anderen Job hat, sollte in dieser Zeit vom aktiven Trading absehen. Professionelles Trading lässt sich nicht nebenher oder in der S-Bahn vom Smartphone aus erledigen, weshalb auch von der Nutzung entsprechender Apps abzuraten ist.
  • Eine solide Buchführung ist unverzichtbar. Jeder einzelne Trade muss mit allen Parametern wie Zeitpunkt und Gewinn/Verlust festgehalten werden. Dies sollte in einer Tabellenkalkulation eingetragen werden, sodass eine automatisierte Auswertung über längere Zeiträume möglich ist (jede halbwegs seriöse Handelsplattform verfügt über eine Funktion, diese Daten so zu exportieren, dass sie in einer Tabellenkalkulation bequem ausgewertet werden können): Wie ist die Trefferquote? Wie ist das Chance/Risiko-Verhältnis (CRV)? Wurden die Regeln des Handelsansatzes eingehalten (wurde zum Beispiel das tägliche Verlustlimit überschritten)? Veränderte sich die Profitabilität über die Zeit hinweg? Der Trader kann so sein Trading-System, sich selbst und seine Performance beurteilen – und erkennen, wo er seinen Ansatz modifizieren und sich selbst verbessern muss.
  • Auch die Gründe für das Eröffnen beziehungsweise Schließen von Positionen müssen immer schriftlich festgehalten und in der Nachbereitung des Handelstags ausgewertet werden: Wurde der Strategie gefolgt oder aus falschen Gründen getradet? Eine solche Dokumentation trägt auch erheblich zur Wahrung der Disziplin bei. Überhaupt kommt dem Selbst-Monitoring im Trading ein besonders hoher Stellenwert zu, weshalb hierzu noch einige Bemerkungen nötig sind.

B2 Kapitalkurve mit und ohne Plan

Bei Anfängern ist das Kapital häufig bereits weg, noch bevor der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die Lernkurve und damit der Erfolg überhaupt steigen (senkrechte Linie). Sie beginnen mit wahllosen Trades (rote Linie), erwischen den einen oder anderen Glückstreffer und schwanken so immer zwischen Gewinn und Verlust. An den Hochpunkten kommen der Reiz und die Gier nach größeren Gewinnen und so wird die Positionsgröße oder der Hebel erhöht. Das führt im schlimmsten Fall zu noch größeren Verlusten und damit zum Ende des Kontos. Meist fängt erst dann die Lernkurve an zu steigen, wenn kein Kapital mehr zum Traden vorhanden ist. Anders könnte es mit einem konkreten Plan von Anfang an verlaufen (blaue Linie). Die Kapitalkurve würde über eine längere Zeit langsam ansteigen. Sobald die Lernkurve dann weit genug nach oben gelaufen ist, sind dank des vorhandenen Kapitals und des angesammelten Wissens gute Gewinne möglich. Quelle: www.traders-mag.com

Selbst-Monitoring

Die Bereitschaft, sich einer ständigen kritischen Selbstanalyse zu unterziehen, ist eines der wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale, die ein Trader aufweisen muss. Der unter Tradern geläufige Spruch „Der Markt hat immer Recht!“ bringt zum Ausdruck, wie wichtig es ist, Fehler zuerst bei sich selbst zu suchen. Es sollte klar sein, dass es hierbei natürlich nicht um Schuldzuweisung geht, sondern um persönliche Weiterentwicklung durch Selbstanalyse und Selbstkritik. Auch dies hängt wieder unmittelbar von jener anderen Eigenschaft ab, die hier immer wieder Thema war: der Disziplin. Denn eine solche Selbstanalyse ist häufig unangenehm und setzt ein hohes Maß an Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber voraus. Was die eigenen Fehler angeht, neigt der Mensch zur Verdrängung. Diszipliniertes Verhalten aber wird erleichtert, sofern klar definierte, geregelte Abläufe das eigene Tun strukturieren und möglichst viel schriftlich dokumentiert wird. Auch dieser Punkt zeigt also die Notwendigkeit, Trading in einem professionellen Rahmen mit klaren Strukturen und Abläufen zu verorten. Dazu gehört unter anderem das Führen eines Trading-Journals.

Ein Trading-Journal dient der Selbstkontrolle und Selbstentwicklung. Gemeint ist damit das Niederschreiben aller für das eigene Trading und für die Entwicklung zum Trader relevanten Beobachtungen, Überlegungen, Handlungen und Erfahrungen. Dies sollte schon während des Handels geschehen, und sei es auch nur stichwortartig. Ein Trading-Journal dient dabei nicht einfach nur der Buchführung, sondern stellt eine wichtige Komponente der eigenen Entwicklung und Verbesserung als Trader dar: Es ermöglicht dem Trader, sich möglichst objektiv und distanziert selbst zu analysieren und zu beurteilen. Eine solche Beurteilung hat, wenn sie ehrlich, diszipliniert und regelmäßig durchgeführt wird, einen korrigierenden und entwickelnden Effekt. Wer sich beobachtet und sich täglich klar macht, wo seine immer wiederkehrenden Schwachstellen im Trading liegen, der wird viel eher dazu neigen, diese abzulegen, als jemand, der zwar vielleicht vage um seine Fehler weiß, sie aber ausblendet oder verdrängt, anstatt sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Fazit

Möchten Sie als Privat-Trader professionell traden, ist es nötig, auch einen entsprechenden Rahmen zu schaffen. Ein professionelles Setting rüstet für einige der Risiken im Trading – zumindest für solche, die der Trader selbst beeinflussen kann. Sowohl was die Marktkenntnis als auch die Selbstkenntnis angeht, ist der Lernprozess nie abgeschlossen. Erfolg in den sich ständig wandelnden Märkten erfordert die Bereitschaft des Traders, täglich dazuzulernen, flexibel zu bleiben und sich immer neuen Gegebenheiten anzupassen.


Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 03.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.

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