. S Trading beschränkt sich nicht nur auf das Drücken von Buy- oder Sell-Knöpfen. Vielmehr liegen die eigentliche Arbeit und das Hauptproblem des Traders im Finden von Handelsentscheidungen auf Basis einer schwierigen Informationslage. Trader sollten lernen, mit diesen Schwierigkeiten umzugehen.
Information
Was ist unter „Information“ zu verstehen? Eine allgemeingültige Definition des Begriffs scheint unmöglich. Die in der Fachliteratur verwendeten Definitionen sind in der Regel auf spezielle wissenschaftliche Kontexte beschränkt und außerhalb dieser von geringem Nutzen. Für unsere Zwecke sollte die folgende (ebenfalls kontextspezifische) Arbeitsdefinition ausreichen. Information ist all das, was den Trader in Form von Nachrichten, Mitteilungen, Bildern, Daten, Signalen und so weiter erreicht und für seine Handelsentscheidungen Bedeutung haben kann. Wir berücksichtigen also weder Informationen, die gar keine Relevanz für Handelsentscheidungen haben (sie also nicht beeinflussen), noch das, was der Trader prinzipiell nicht wissen kann (beispielsweise zukünftige Ereignisse).
Wer nun meint, er müsse nur möglichst viel an Information sammeln, um absolut sichere Handelsentscheidungen treffen zu können, der übersieht einen wichtigen Punkt: Gerade die im Trading relevanten Arten von Informationen besitzen Eigenschaften, die dem Trader Schwierigkeiten bereiten könnten:
- Unsicherheit: Einer Information ist natürlich nicht anzusehen, ob sie gesichert, wahr, belastbar et cetera ist. Beispiele: Nachrichten über Ereignisse in Kriegsgebieten oder Behauptungen über die Performance der Trading-Systeme.
- Bias: Auch vermeintlich objektive Tatsachenbeschreibungen sind meist einseitig und abhängig vom Blickwinkel. Der Standpunkt des Autors eines Berichts ist ein anderer als der des Empfängers. Zudem setzt jede Informationsübermittlung ein Informationsmedium voraus, das wiederum die von ihm übermittelten Informationen in gewisser Weise beeinflusst oder beschränkt. Beispiel: Wahlprognosen oder Berichte über die Stimmungslage in einer Bevölkerung sind dadurch gefärbt oder verzerrt, wer wen wie befragt. Hier ist Selektivität nicht vermeidbar, wie auch prinzipiell für Medien gilt: Zeitungen, TV oder Internet können immer nur einen kleinen Realitätsausschnitt in Momentaufnahmen vermitteln, präsentieren dies aber üblicherweise als ein objektives Gesamtbild.
- Relevanz/Irrelevanz: Jede Information lässt sich vom Trader unter dem Gesichtspunkt „Konsequenzen für meine Positionierung im Markt“ als relevant oder irrelevant für seinen Handel beurteilen. Eine Nachricht kann für die Positionierung eines Traders scheinbar bedeutungslos sein, während sie für andere Marktteilnehmer äußerst wichtig ist. Sie kann deshalb auch – über die Handlungen anderer Marktakteure vermittelt – doch noch relevant für den Trader werden. Um das beurteilen zu können, setzt es allerdings ein Verständnis für das Tun anderer Marktakteure und für Marktzusammenhänge voraus.
- Latenz: Vom Standpunkt des Traders erreicht ihn jede Information eigentlich immer schon zu spät. Praktisch ausnahmslos gilt: Andere Akteure hatten die Information schon früher und reagierten, bevor der Trader selbst aktiv werden konnte. Der automatisierte Handel durch Computer, der Nachrichtenmeldungen automatisch verarbeitet und blitzschnell darauf reagieren kann, hat diese Situation radikal verschärft.
Wie kann der Trader mit diesen Schwierigkeiten umgehen? Er ist gezwungen, auf Basis einer notorisch komplexen, beschränkten, unsicheren Informationslage und meist auch unter Zeitdruck gute Handelsentscheidungen zu treffen. Fasst man professionelles Trading wie vorgeschlagen als Umgang mit Informationen auf. So können hier grob drei Schritte unterschieden werden:
- Aufnahme von Information
- Verarbeitung von Information
- Umsetzung von Information in Handelsentscheidungen
Dies soll nun anhand der für Trader wichtigsten Arten der Information – Nachrichten und Marktdaten – dargestellt werden.
Nachrichten
Wer sich nur ein wenig mit dem Trading befasst hat, der weiß um die Bedeutung von Nachrichten für die heutigen Märkte. Das gilt für den Intraday Trader, der sich während der Veröffentlichung wichtiger Wirtschaftsdaten oder Ergebnisse bedeutender politischer Wahlen lieber dem Markt fernhält, ebenso wie für den Positions-Trader, der auf marktfremde Ereignisse schnell reagieren muss. Wie schnell hier mittlerweile die Nachrichten in den Markthandlungen umgesetzt beziehungsweise eingepreist werden, zeigt sich immer wieder. Die Märkte sind gegenwärtig in einem Zustand, in dem auch scheinbar unwichtige Ereignisse zumindest kurzfristig für kleine Beben sorgen (Bild 1). Letztlich ist es aber eben nicht das Ereignis, das den Markt bewegt, sondern die Nachricht des Ereignisses.
B1 Veröffentlichung von Informationen
Am 08. Dezember 2017 wurden um 14:30 Uhr die vielbeachteten Nonfarm Payrolls (US-Arbeitsmarktbericht) veröffentlicht. Vor der Veröffentlichung war die Volatilität im DAX-1-Minuten-Chart recht niedrig, während sie zur Veröffentlichung stark anstieg. In diesem Fall waren es dabei nicht einmal exorbitant gute Zahlen, die den Markt hätten nachhaltig beeinflussen können. Quelle: www.tradesignalonline.com
Bei all dem ist allerdings das Problem: Der Nachrichtenstrom fließt heutzutage ununterbrochen und der Wettbewerb der Medien untereinander führt dazu, dass hier ständig zu heiß gekocht wird. Auch namhafte Online-Zeitungen betreiben sogenanntes Click Baiting. Das heißt, sie bringen Nachrichten immer wieder – mit minimalen Textänderungen, aber immer neuen provokativen Überschriften. Das kann leicht den Eindruck der Wichtigkeit einer Nachricht erzeugen. Der Zweck kostenloser Nachrichtenseiten ist ja sowieso nicht der, gut zu informieren, sondern Besucher auf die Webseite zu ziehen, um Klicks zu generieren.
Anders sieht es bei professionellen Nachrichtendiensten aus, die kostenpflichtige Angebote für Trader haben. Diese müssen auf ihre Zielgruppe zugeschnittene Qualitätsinformationen liefern, da sie gegebenenfalls ihre Kunden verlieren können. Wer also wissen will, welche Themen und Ereignisse den Markt bewegenSollte schauen, was die wichtigen, marktbewegenden Akteure beeinflusst. Das muss nicht gleich darauf hinauslaufen, den Reuters-Newsticker zu abonnieren, sondern kann auch ganz einfach heißen, ein Gefühl für die Marktstimmung zu entwickeln, indem man die einschlägigen Zeitschriften oder Portale für Wirtschaftsnachrichten verfolgt und mit den Bewegungen der Märkte abgleicht.
Selektion von Handelsentscheidungen
Die Auswahl der eigenen Informationsbasis ist von größter Bedeutung. Wer von vornherein auf zuverlässige Quellen setzt, kommt nicht in Verwirrung und erspart sich einige Fehlinformationen. Der Trader sollte die Informationen schon im Vorfeld durch Ausschluss schlechter Quellen und Medien filtern und sich somit erst gar nicht damit konfrontieren lassen. Das betrifft nicht nur die vielen kostenfreien Angebote – „There is no free lunch“, lautet eine Trader-Weisheit –, sondern genauso auch das Lesen von Analysen und Meinungen vermeintlicher Experten. Zwar lässt sich aus den Analysen kompetenter Trader durchaus einiges lernen; sie sollten aber zumindest nicht unkritisch übernommen oder blind nachgehandelt werden. Auch hier liegt der mögliche Lerneffekt vielmehr im Abgleich von Prognose und dem, was tatsächlich passiert.
Charts lesen
Neben Nachrichtenmeldungen sind Marktdaten beziehungsweise deren grafische Darstellung, die Charts, eine weitere Hauptinformationsquelle von Tradern. Charts sind zwar keine Texte, man kann aber durchaus davon sprechen, dass sie gelesen oder interpretiert werden müssen.
Auf Anfänger wirken Charts zunächst wie ein chaotisches Durcheinander. Er muss nun lernen, Verläufe und Muster bis zu einem gewissen Grad überlegungsfrei zu erkennen, das heißt, diese zu sehen, ohne erst danach suchen zu müssen (Bild 2). Das funktioniert im besten Fall ähnlich wie bei Buchstaben und Wörtern, die man auf einen Blick erkennt, ohne dabei noch aktiv nachdenken, entziffern oder decodieren zu müssen.
B2 Geordnetes Chaos
Außenstehende oder Trading-Anfänger würden bei einem Blick auf den Chart ein Chaos aus roten und grünen Stäben vermuten. Ziel eines professionellen Traders sollte es sein, aus diesem „Chaos“ die benötigten Informationen automatisch herauslesen zu können. So hätte man beispielsweise eine Schulter-Kopf-Schulter-Formation entdecken können. Quelle: www.tradesignalonline.com
Diese Fähigkeit entwickelt sich – genau wie das Lesen – durch Übung: Anfangs ist es ein aktives Suchen, bis irgendwann das Finden zu einem unterbewusst ablaufenden Prozess wird. Gerade beim Umgang mit Charts lässt sich besonders schnell die Erfahrung machen, dass Prozesse, die zunächst unter Fokussierung der Aufmerksamkeit ablaufen müssen, zunehmend verinnerlicht und automatisiert werden. Das geschulte Auge muss dann nicht erst nach Strukturen und Mustern suchen, sondern sieht diese auf den ersten Blick. Die Kehrseite ist, dass das menschliche Gehirn dazu tendiert, überall bedeutungsvolle Strukturen und Muster zu sehen – selbst dort, wo sie nur zufällig entstanden sind. Hier kommt deshalb eine weitere wichtige Fähigkeit des Traders im Umgang mit Charts ins Spiel: die Beurteilung, welche Muster nur zufällig entstanden und nicht aussagekräftig sind – und daher auch nicht getradet werden dürfen.
Verarbeitung von Information
Es wurden nun schon einige Prozesse der Informationsverarbeitung angesprochen, die im Trading stattfinden. Je erfahrener ein Trader ist, desto größer ist der Anteil an Verarbeitungsprozessen, die nicht mehr bewusst und mit konzentrierter Aufmerksamkeit stattfinden müssen, sondern automatisch und unbewusst ablaufen. Nun möchten wir aber noch einen Blick auf die bewusst ablaufenden Verarbeitungsprozesse werfen. Diese sind zunächst analytisch und zielen dann auf ein inhaltliches Verständnis, auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen sowie auf mathematische Sachverhalte ab.
Die Verarbeitungsprozesse bestehen weiterhin darin, Informationen zu anderen Informationen, zum Vorwissen oder zu Annahmen in Beziehung zu setzen. So beispielsweise, wenn ein im Chart identifiziertes Muster mit dem eigenen Wissen über die statistische Relevanz von Mustern eines bestimmten Typs zusammengeführt wird. Oder wenn Wirtschaftsdaten in allgemeines Wissen über grundsätzliche Zusammenhänge zwischen Kennzahlen eingebettet werden.
Selbst Wirtschaftsexperten sind sich ständig uneinig. Selbst in so elementaren Fragen wie: Wo befinden wir uns derzeit innerhalb des Konjunkturzyklus? Dies zeigt, dass eine solche Meinungsbildung nicht schematisch ablaufen kann, sondern ebenfalls wieder schwierig, unsicher und standpunktabhängig ist. Notwendig ist deshalb immer auch die kritische Prüfung der eigenen Meinungen. Zwar muss sich der Trader auch ohne Kenntnis aller Fakten eine Meinung bilden können, die nicht jeden Tag kippt. Dennoch sollten die eigenen Annahmen häufig mit der Realität abgeglichen werden.
B3 Aussteigen statt abwarten
In diesem Fall sprach einiges für den Ausstieg aus der Position. Viele Trader begehen allerdings den Fehler und möchten Verlustpositionen in der Hoffnung aussitzen, dass sich der Kurs doch noch zu ihren Gunsten dreht. Es wird nicht gehandelt, wo es eigentlich geboten wäre. In diesem Fall wäre spätestens beim Schließen des Gaps (Kurslücke) ein Ausstieg aus der Position nötig gewesen. Danach kam der Kurs nicht mehr zurück und dümpelt seither auf niedrigstem Niveau. Quelle: www.tradesignalonline.com
Handelsentscheidungen
Hat sich der Trader mit den ihm zugänglichen, relevanten Informationen auseinandergesetzt, dürfte eine gute Entscheidungsbasis gegeben sein. Falls gute Gründe gegen eine Markthandlung sprechen, eine solche aber dennoch vorgenommen wird, dann ist das ein Fehler, den der Markt erfahrungsgemäß eher bestraft als belohnt – ebenso, wenn nicht gehandelt wird, obwohl es geboten ist (üblicherweise bei der Schließung von in den Verlust laufenden Positionen; Bild 3). Wenn aber eine Markthandlung als zulässig und möglich beurteilt wird, dann bleibt es doch zuletzt immer noch die Entscheidung des einzelnen Traders, den Trade einzugehen oder nicht. Hier kommt auch seine schon in einem früheren Artikel besprochene Emotionalität und Individualität zum Zuge: seine Risikofreudigkeit, persönlichen Umstände und Tagesform.
Fazit
In diesem Artikel haben Sie erfahren, wie wichtig Informationen und deren richtige Bewertung beim Trading sind. Entscheidend ist dabei nicht die Quantität, sondern die Qualität – und die neutrale und korrekte Bewertung. Im nächsten Teil geht es um eine professionelle Haltung.
Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 02.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.
- Lesen Sie einen weiteren interessanten Artikel zum Thema: Die Trader-Persönlichkeit: Teil 4: Trading als Profession
- Folgen Sie der Traders-Mag Gruppe auf TradersYard…
- Informieren Sie sich über die neuesten Ausgaben des Traders-Magazine…
- Melden Sie sich zu den TradersMag Daily-Briefings an…
Featured by TradersYard und AgenaTrader