"Die Trader-Persönlichkeit: Teil 2: Fähigkeiten und Fachwissen"

Fähigkeiten des Traders

Besonders wichtig für erfolgreiches Trading ist sicherlich die Fähigkeiten des Traders, die aktuelle Marktlage einzuschätzen. Erst auf Basis einer qualifizierten Markteinschätzung kann der Trader überhaupt darüber entscheiden, ob die von ihm verfolgte Trading-Strategie im konkreten Fall zum Einsatz kommen soll oder nicht. Und ohne diese Kompetenz kann eine auch noch so gute Kenntnis von Regelwerken und Strategien nicht erfolgreich umgesetzt werden. Das heißt, der Trader sollte in der Lage sein, nicht nur auswendig gelernte Kerzenformationen wiederzuerkennen oder Indikatoren-Werte abzulesen. Man muss einschätzen könn, was am Markt im Moment passiert. Dieses „im Moment“ kann übrigens sowohl die ganz kleinen als auch die übergeordneten Zeitebenen betreffen: Manche Vorgänge im Markt geschehen binnen Sekunden, andere dauern über Tage, Wochen und sogar Monate an.

Training

Nun lässt sich diese zentrale Fähigkeit der Marktbeurteilung aber gerade nicht einfach anlesen oder als Algorithmus programmieren, sondern der Trader muss diese Kompetenz persönlich erwerben und entfalten. Spezielle Fähigkeiten erwirbt ein Mensch nur durch eigenes Handeln und besonders effizient geschieht dies durch gezieltes Training. Trainieren heißt, zu versuchen, eine Tätigkeit oder Aufgabe richtig auszuführen beziehungsweise besser als bisher. Wer etwas trainiert, orientiert sich dabei an gewissen Standards und Regeln, unter die er sein eigenes Tun stellt und an denen sich bemisst, wie gut er etwas kann und tut. Besser ist es natürlich, einen guten Mentor zu haben – gute Mentoren sind allerdings noch seltener als gute Trader. Denn sie müssen nicht nur gute Trader sein, sondern auch gute Lehrer.

Gezieltes Training bedeutet, sich einer Handlungswirklichkeit (in diesem Falle dem Markt) auszusetzen, die Vorgänge und Abläufe dort zu beobachten, selbst aktiv zu werden und sich schließlich mit den dabei gemachten Erfahrungen auseinanderzusetzen und die eigenen Fehler zu reflektieren. Ein solches Training sollte modular aufgebaut sein und stufenweise vorgehen. Auch deshalb ist Disziplin im Trading so wichtig, denn ein solches Training sollte natürlich möglichst planmäßig und effizient durchgeführt werden – mit anderen Worten: professionell.

Beispiele

Geläufige Beispiele für den Erwerb von Fähigkeiten dürften das Autofahren, das Schreiben auf der Computertastatur oder das Spielen eines Musikinstruments sein. Schon bei Kleinkindern lassen sich solche Vorgänge beobachten, wenn sie versuchen, das Sprechen oder das Gehen zu erlernen. Es wird also wohl jeder schon diese Beobachtungen gemacht haben. Eine Aufgabe, die für den Anfänger sehr schwierig erscheint, von ihm höchste Konzentration erfordert und immer wieder zu Fehlern führt, bewältigt der Erfahrene und Eingeübte ohne Mühe und oft geradezu nebenher.

Dabei gilt: Je besser eine Tätigkeit eingeübt und als Fähigkeit beherrscht wird, desto mehr davon läuft unterbewusst und automatisch ab. Dies setzt dann wiederum Ressourcen frei, um die Aufmerksamkeit auf anspruchsvollere Aufgaben zu richten. Das heißt, erst wer die elementaren Handgriffe beherrscht, kann diese auch zu komplexeren Abläufen zusammenfügen. So stellt sich eine fortschreitende Verbesserung der Fähigkeiten ein und es werden zunehmend bessere Ergebnisse erzielt. Wer hingegen gleich von Anfang an in der Profiliga mitspielen will, wird sich bestenfalls blamieren – und im Trading sind solche Blamagen bekanntlich kostspielig.


B1 Was passiert hier gerade?

Bei der Beurteilung der aktuellen Marktlage und des Verständnisses für das Marktgeschehen (hier beim DAX-Future) wird man sich selbst einige spezifische Verständnisfragen stellen: Was sehe ich? Was passiert hier gerade? Wie erkläre ich, was ich beobachte? Welche weitere Entwicklung ist dementsprechend zu erwarten? Die hierbei gemachten Beobachtungen und Erklärungsversuche sollten auch schriftlich festgehalten, im Rückblick geprüft und mit der Realität abgeglichen werden. 
Quelle: www.tradesignalonline.com

Beobachten und fragen

Beim Training der Beurteilung der aktuellen Marktlage und des Verständnisses für das Marktgeschehen ergeben sich einige spezifische Verständnisfragen (Bild 1). Dazu gehören: Was sehe ich? Was passiert hier gerade? Wie erkläre ich, was ich beobachte? Welche weitere Entwicklung ist dementsprechend zu erwarten? Die hierbei gemachten Beobachtungen und Erklärungsversuche sollten auch schriftlich festgehalten, im Rückblick geprüft und mit der Realität abgeglichen werden. Wie plausibel erscheint meine Deutung im Nachhinein? Warum lag ich vielleicht falsch? Was kann ich daraus lernen? Und so weiter.

Klar ist, dass dies alles auch ein tieferes Wissen über den beobachteten Markt voraussetzt. Was wird hier gehandelt? Was bewegt diesen Markt? Wer sind seine wichtigsten Akteure? Wie hängt dieser Markt mit anderen Märkten zusammen?

Dies sind nur einige wenige Fragen, auf die der Trader Antworten haben sollte. Ein Index-Future ist in dieser Hinsicht ein völlig anderer Markt als beispielsweise eine Währung oder ein Rohstoff. Nur an der Oberfläche, dem Chart-Bild mit seinen Kerzenformationen, kann es vielleicht so scheinen, als sei alles mehr oder weniger das Gleiche (Bild 2). Über seinen Markt sollte der Trader aber sehr genau Bescheid wissen.

Neben den besonderen Fähigkeiten des Traders spielt deshalb auch Fachwissen im Trading eine bedeutende Rolle. Denn das Trading hat nicht nur handwerklich technische Aspekte, sondern auch eine wissenschaftliche Seite.


B2 Oberflächliche Betrachtung

Schaut man sich diese beiden Charts ohne Achsenbeschriftung und Wissen über die Zeitebene an, könnte man nicht automatisch rückschließen, um welche Werte oder welchen Markt es sich handelt. Auch wenn die Charts oberflächlich gleich aussehen, handelt es sich um komplett unterschiedliche Märkte mit ebenso unterschiedlichem Verhalten: den DAX (oben) und Gold (unten). Man sollte sich daher mit dem Markt und nicht nur mit dem Chart beschäftigen und sich hierüber tiefergehende Kenntnisse aneignen.  
Quelle: www.tradesignalonline.com

Fachwissen des Traders

Mit Fachwissen sind diejenigen Kenntnisse gemeint, über die der Trader verfügen muss, um überhaupt ein professionelles Selbstverständnis entwickeln, also Trading als Profession begreifen und betreiben zu können. Solides Fachwissen umfasst eben nicht nur die Kenntnis von Trading-Strategien, Candlestick-Formationen und dergleichen, sondern auch – und wohl noch wichtiger – mindestens Grundkenntnisse der Makroökonomik, Verständnis für die Funktionsweise und Zusammenhänge von Märkten, beteiligten Akteure und so weiter. Auch mathematische Kenntnisse sind unverzichtbar, denn der Trader muss mit Wahrscheinlichkeiten umgehen. Eein solides Money-Management betreiben und auch die Funktionsweise von Indikatoren verstehen können. Diese Aufzählung ließe sich noch fortführen. s dürfte schon klar geworden sein, worauf es hinausläuft: Ernsthaftes Trading ist ein wissensbasiertes Unternehmen. Ein nicht unerheblicher Anteil der Arbeitszeit des Traders besteht deshalb nicht darin, den Markt zu beobachten, sondern sein Wissen zu aktualisieren und sich laufend weiterzubilden.

Wo erlangt man Fachwissen

Da es für Privatpersonen eigentlich keine institutionalisierten Ausbildungen zum Trader gibt, muss der Privat-Trader mithilfe von Fachbüchern, Artikeln, Webseiten, Seminaren, Messen und so weiter ein Selbststudium betreiben. Aus verschiedenen Gründen ist das allerdings gar nicht so einfach:

  1. Es gibt in diesem Bereich jede Menge Material. Das Angebot an Printliteratur, Internetportalen, Blogs, Foren, Videos und so weiter ist längst nicht mehr überschaubar, geschweige denn aufarbeitbar. Erfahrungsgemäß tendieren Anfänger nicht selten dazu, unnötig viel Zeit mit der Durchforstung dieses Dschungels zu vergeuden. Die Befürchtung, man könnte irgendetwas ganz Wichtiges noch nicht kennen und deshalb nicht weiterkommen, sitzt dabei im Nacken. Statt in die Tiefe wird dann in die Breite gegangen. Man weiß von allem ein wenig, aber nichts so richtig genau. Daytrading ist aber keine Generalisten-, sondern eine Spezialisten-Profession – oder anders gesagt: Gute Trader sind Fachidioten. Nicht selten ist deshalb der Ratschlag angebracht: Du kannst sowieso nicht alles wissen, nicht einmal das Meiste – versuche also, wenigstens auf einem Gebiet Experte zu werden.
  2. Lehrbücher zu lesen ist zeitaufwändig und anstrengend. Da nicht jeder mit denselben Voraussetzungen startet (unterschiedliche ökonomische, politische und mathematische Vorkenntnisse), lässt sich der Bildungsweg sowieso nicht schematisch vorgeben. Es ist aber sinnvoll, die Bandbreite an Themengebieten für sich selbst abzustecken und sich klarzumachen, wo die eigenen Stärken und Defizite liegen. Ebenso soll man entsprechend gezielt bei der eigenen Ausbildung vorzugehen. Vor allem das Internet, aber zunehmend auch der Büchermarkt sind voll von Überflüssigem. Gerade der Anfänger, der ja besonders auf brauchbare Lehrmaterialien angewiesen ist, vermag kaum, deren Wert zu beurteilen. Sofern die Möglichkeit besteht, sollte man sich hier ruhig auch auf die Hinweise und Ratschläge erfahrener und kompetenter Trader stützen.

Fazit

Fähigkeiten und Fachwissen sind zwei wichtige Säulen professionellen Tradings. Im zweiten Teil dieser Artikelserie haben wir die essenziellen Fähigkeiten des Traders beleuchtet, die ihn befähigen, in einem dynamischen und oft unvorhersehbaren Marktumfeld erfolgreich zu agieren.

Im dritten Teil dieser Artikelserie wollen wir uns mit einer weiteren besonderen Herausforderung befassen, vor die Trader gestellt sind: dem Umgang mit Informationen.


Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 01.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.

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