MARC DAGHER: HERR DAGHER, SIE HABEN URSPRÜNGLICH ALS ANGESTELLTER IN EINEM UNTERNEHMEN GEARBEITET UND SIND ERST SPÄTER ZUM TRADING GEWECHSELT. KÖNNEN SIE UNS BITTE ERZÄHLEN, WIE ES DAZU KAM?
Dagher: Ich arbeitete in der Finanzabteilung eines Unternehmens, was mir allerdings nach einiger Zeit keinen großen Spaß mehr machte und keine besonderen Herausforderungen bot. Zu dieser Zeit lernte ich jemanden kennen, der mich mit der Welt der Börse und des Tradings in Kontakt brachte. Von ihm lernte ich die wichtigsten Grundlagen der technische Analyse im Trading, die auch heute noch der Schwerpunkt meiner Arbeit sind.
MARC DAGHER: WORIN SEHEN SIE DIE VORTEILE DER TECHNISCHEN ANALYSE?
Dagher: Es gibt sehr viele Analysten, die sich mit fundamentalen Daten befassen. Die blende ich komplett aus. Indem ich mich rein auf die technische Seite fokussiere, kann ich eine ganz andere Perspektive erlangen und eine unverzerrte Analyse davon durchführen, was mir der Chart wirklich sagen möchte.
MARC DAGHER: VIELE TRADER FINDEN ES SCHWIERIG ZU ERKENNEN, WAS IHNEN DER CHART SAGT. WAS MACHEN SIE ANDERS, UM EINE GUTE EINSCHÄTZUNG ZU TREFFEN?
Dagher: Das Ganze hat sehr viel mit Erfahrung zu tun. Um sie zu erlangen, habe ich unzählige Charts durchgeschaut und analysiert. Zusätzlich ermöglicht mir die technische Analyse im Trading eine präzise Einschätzung der Marktsituationen. Und dennoch dauert es eine ganze Weile, bis man lernt, wie Charts zu lesen sind. Inzwischen mache ich das so lange, dass ich sofort erkennen kann, ob ein Chart eher bullisch, neutral oder bärisch ist. Das heißt aber nicht, dass mein Trading dadurch leicht ist, denn wirklich sicher kann an der Börse niemand etwas wissen! Deshalb fokussiere ich mich vor allem auf diejenigen Charts, bei denen ich die höchsten Wahrscheinlichkeiten für profitable Trades sehe.
MARC DAGHER: SIE LASSEN ALSO DIE MEISTEN CHARTS AUSSEN VOR UND SUCHEN NUR DIE BESTEN SETUPS?
Dagher: Ja. In den meisten Fällen ist die Aussage eines Charts einfach zu unklar, um daraus eine gute Trade-Idee zu machen. Die technische Analyse im Trading hilft mir dabei, klare Setups zu identifizieren. Ich erkenne an, dass ich in den meisten Fällen keine Ahnung habe, was passieren könnte. Das ist aber überhaupt kein Problem. Denn solange ich einige gute Setups finde, bei denen die Wahrscheinlichkeit klar auf meiner Seite liegt, kann ich diese besonderen Chancen nutzen, und den ganzen Rest ausblenden.
MARC DAGHER: DIE ENTSCHEIDENDE FRAGE IST ALSO: WIE SEHEN DIESE BESTEN SETUPS AUS, NACH DENEN SIE SUCHEN?
Dagher: Zunächst möchte ich sagen, dass es keine magischen Tricks gibt. Jeder Trader macht ständig Fehler und lernt dazu. So ist es auch bei mir. Das liegt in der Natur der Sache, da sich die Märkte ständig verändern und niemand irgendetwas mit Sicherheit weiß. Was ich aber tun kann: nach besonders starken Signalen zu suchen, die sich im Idealfall gegenseitig bestätigen. Die technische Analyse im Trading bietet mir dafür verschiedene Indikatoren, die mir helfen, die besten Setups zu finden. Auf diese Weise schaffe ich es, in bestimmten Situationen eine weit bessere Erfolgswahrscheinlichkeit als die klassischen 50 Prozent bei einem zufälligen Münzwurf zu erzielen.
B1 Elliott-Wellenanalyse
Die Elliott-Wellen-Technik war die erste detaillierte Analyseform, die Marc Dagher erlernte. Noch heute bildet sie den Grundstein seiner Analysen. Elliotts Wellentheorie unterscheidet zwei Kategorien von Wellen: Während Impulswellen immer fünfwellig sind, bestehen Korrekturwellen aus drei Wellen. Impulswellen werden mit Ziffern (1, 2, 3 ...) und Korrekturwellen mit Buchstaben (a, b, c ...) bezeichnet, damit der Fortschreitungsgrad innerhalb des Elliott-Wellen-Zyklus klassifiziert werden kann. Bedingt durch das mögliche Auftreten einer oder eventuell zweier Erweiterungen, sogenannter Extensionen, kann die Impulswelle aus fünf, neun oder 13 Wellen bestehen und die Korrekturformation aus drei, sieben oder elf Wellen. Im Bild sehen Sie das idealtypische 1-2-3-4-5-a-b-c-Muster der Elliott-Wave-Grundtheorie für einen übergeordneten Aufwärtstrend. Die Impulswelle besteht aus fünf Wellen, von denen im übergeordneten Aufwärtstrend drei aufwärts (1, 3, 5) und zwei abwärts gerichtet sind (2, 4). Die Korrekturwelle besteht aus drei Wellen, von denen zwei abwärts (a, c) und eine aufwärts gerichtet ist (b). Impulswellen laufen immer in Richtung des übergeordneten Trends. Innerhalb jedes Subzyklus tritt das gleiche Muster im Kleinen erneut auf (fraktale Natur der Märkte). Ausgehend von diesem Muster lassen sich feinere Eigenschaften untergliedern. Ein Beispiel ist, dass auf eine einfache Welle 2 später häufig eine komplexe Welle 4 und umgekehrt auf eine komplexe Welle 2 eine einfache Welle 4 trifft. Quelle: R. N. Elliott, „The Basis of the Wave Principle“, Oktober 1940, Wikipedia (veröffentlicht von Nutzer „Masur“)
MARC DAGHER: WELCHE ANALYSETECHNIKEN SETZEN SIE DAFÜR EIN?
Dagher: Die Grundlage meiner Analysen ist die Elliott-Wellen-Technik, die wiederholende Muster in Chart-Bewegungen beschreibt. Es ist meine erste erlernte Analysemethode und ich bin mit vielen Details und Facetten dieses Ansatzes vertraut. Einige Trader sehen den Umfang der Elliott-Wellen-Analyse als Nachteil an, da es oft schwer ist, sie richtig anzuwenden. Das sehe ich jedoch nicht so, denn viele Regeln lassen sich in den dazu passenden Charts sinnvoll anwenden, wenn man die entsprechende Erfahrung hat. Doch wie bereits gesagt, gibt es in den meisten Charts eben keine passende Wellenzählung, sodass ich sie dann eben außen vor lasse. Weitere Analysetechniken, die ich regelmäßig einsetze, sind Unterstützungs- und Widerstandszonen, Fibonacci-Retracements und -Extensions, Indikatoren und Chart-Muster.
B2 Elliott-Wellen-Trade bei Wirecard
Bei Wirecard erwartete Marc Dagher eine fünfte Elliott-Aufwärtswelle, die sich ausgehend vom Februartief zu entwickeln begann. Der Einstieg erfolgte am 09. Juli. Aufgrund einer beschleunigten Dynamik und eines schnellen Gewinns von rund 20 Prozent im Hebelzertifikat stieg er schon wenige Tage später am 13. Juli wieder aus. Quelle: www.tradesignalonline.com
MARC DAGHER: WIE ERKENNEN SIE VALIDE UNTERSTÜTZUNGS- UND WIDERSTANDSZONEN?
Dagher: Im Prinzip verwende ich dafür die klassischen Tools der Charttechnik. Ein gutes Beispiel sind multiple Tops und Böden oder Widerstände, die zu Unterstützungen werden (und umgekehrt). Wenn starke, mehrfach getestete Level plötzlich doch scheitern, kann das kurzfristig eine hohe Dynamik nach sich ziehen, was prozyklische Trades in diese Richtung interessant macht.
MARC DAGHER: WELCHE INDIKATOREN NUTZEN SIE?
Dagher: Ich arbeite regelmäßig mit dem Moving Average Convergence/Divergence (MACD) und dem Relative-Stärke-Index (RSI) sowie mit Gleitenden Durchschnitten (GDs).
MARC DAGHER: WAS SIND DIE BESTEN CHART-MUSTER?
Dagher: Ich favorisiere einfache Muster, die leicht zu erkennen und zu handeln sind. Dazu zählen vor allem Dreiecke und Flaggen, aber auch Schulter-Kopf-Schulter-Formationen, Doppeltops und -böden. Hier habe ich Erfahrungswerte aus vielen Trading-Jahren und weiß, dass gewisse Muster bei bestimmten Aktien besonders gut funktionieren und bei anderen dagegen kaum. Seit einer Weile schaue ich auch auf die wichtigsten Candlestick-Formationen, um zusätzliche Hinweise zu bekommen.
MARC DAGHER: WAS BRAUCHT ES, UM DARAUS EIN AUSREICHEND GUTES HANDELSSIGNAL ABZULEITEN?
Dagher: Ein Problem ist, dass es bei den vielen verfügbaren Aktien unzählige Signale gibt. Der entscheidende Punkt ist deshalb das Erkennen der stärksten Signale, um dann nur diese zu handeln. Die technische Analyse im Trading hilft mir dabei, diese Signale klarer zu erkennen und die besten Setups zu identifizieren, da sie auf wiederkehrenden Mustern in den Kursbewegungen basiert. Solche starken Bereiche kommen immer dann zustande, wenn sich mehrere Signale im Chart an gleicher Stelle bestätigen, und damit ein multiples Signal beziehungsweise ein Cluster bilden. Diese treten deutlich seltener auf, haben aber eine wesentlich höhere Erfolgswahrscheinlichkeit. Wenn es nicht mindestens zwei starke Signale gibt, die sich an der gleichen Stelle im Chart bestätigen, dann mache ich keinen Trade. Das gleiche Prinzip gilt auch bei meiner Elliott-Wellen- Technik: Manchmal überlagern sich Signale aus verschiedenen Zeitebenen auf dem gleichen Kursniveau und zeigen mir so attraktive Levels an. Wenn dann an dieser Stelle noch Signale der Charttechnik auftauchen, kann ein exzellentes, mehrfach bestätigtes Signal entstehen.
MARC DAGHER: WARUM FUNKTIONIEREN CLUSTER SO GUT?
Dagher: Das liegt an der Überlagerung verschiedener Signale. Nehmen wir an, es gibt ein Cluster, das ein Signal auf Basis dreier Kriterien gibt: wenn der Kurs auf einen früheren Widerstand fällt (der nun zur Unterstützung wird), gleichzeitig ein Fibonacci-Retracement getroffen wurde und der RSI ein Kaufsignal gibt. In dieser Situation gibt es einen klaren Vorteil für Long-Positionen, da drei mögliche Gruppen von Tradern an dieser Stelle vielleicht aktiv werden. Ob das tatsächlich geschieht, kann ich natürlich nicht wissen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass der Kurs von hier aus steigt, ist in jedem Fall deutlich höher als die Wahrscheinlichkeit, dass er fällt. Einfach deshalb, weil mehr Marktteilnehmer einen Grund zum Kaufen als zum Verkaufen sehen. Diese Asymmetrie der Wahrscheinlichkeiten ist alles, worum es im Trading geht. Wenn man den Prozess nur genügend oft wiederholt, muss sich der Vorteil früher oder später im Handelsergebnis zeigen.
MARC DAGHER: WELCHE INSTRUMENTE NUTZEN SIE?
Dagher: Ich arbeite überwiegend mit Hebelzertifikaten, die wir in Frankreich einfach als Turbos bezeichnen, aber auch mit Faktor-Zertifikaten. Durch den Hebel kann ich den Anlageerfolg meiner Setups entsprechend erhöhen, aber ich gehe natürlich auch höhere Risiken ein. Neben den Turbos halte ich auch einige Aktien direkt, insbesondere Small- und Mid-Caps, auf die es keine Turbos gibt.
B3 Widerstand wird Unterstützung bei Amazon
Dieses Beispiel zeigt anhand zweier Situationen bei der Amazon-Aktie, wie ein vorheriger Widerstand zur Unterstützung werden kann. Marc Dagher eröffnete nach dem Test der oberen Unterstützung eine Long-Position. Die stellte er allerdings schon am nächsten Tag wieder glatt, nachdem die Aktie mit einem Gap auf neuen Hochs eröffnete. Quelle: www.tradesignalonline.com
MARC DAGHER: WAS SIND DIE VORTEILE VON HEBELZERTIFIKATEN FÜR IHR TRADING?
Dagher: Turbos ermöglichen mir ein sehr gutes Chance/Risiko-Verhältnis, da meine Strategien auf Technischer Analyse basieren. Besonders gut kann man diese Produkte an starken Widerständen und Unterstützungen einsetzen. Da Turbos immer ein bestimmtes Knock-out-Level haben, kann man das wie eine horizontale Linie im Chart verstehen, an der das Produkt verfällt. Zuerst ermittle ich also mittels Technischer Analyse eine starke Unterstützung (für einen Long Trade) oder einen starken Widerstand (für einen Short Trade). Dann wähle ich aus den verfügbaren Basispreisen der Turbos den passenden aus, der etwas unterhalb dieser Unterstützung beziehungsweise oberhalb dieses Widerstands liegt. Auf diese Weise hat man den Vorteil, die starke charttechnische Zone zu handeln und reduziert dabei die Wahrscheinlichkeit für einen Knockout. Der erfolgt nur dann, wenn das ermittelte Level nicht hält.
B4 Verlust-Trade bei United Internet
Am 13. Juni eröffnete Marc Dagher eine Long-Position in einem Hebelzertifikat, da er davon ausging, dass im Februar ein nachhaltiges Tief ausgebildet wurde und eine neue Aufwärtsbewegung gestartet war. Am 25. Juni musste er die Position mit rund zehn Prozent Verlust schließen, da das Märzhoch nicht überwunden werden konnte und sich stattdessen als Doppeltop herausstellte. Quelle: www.tradesignalonline.com
MARC DAGHER: WIE VIELE POSITIONEN HALTEN SIE GLEICHZEITIG?
Dagher: Hier müssen wir unterscheiden, von welchem Portfolio die Rede ist. Ich habe ein Portfolio, in dem ich mein eigenes Geld wie gesagt mittels Turbos handle. Darüber hinaus biete ich verschiedene Signaldienste für Privatanleger an sowie individuelle technische Analysen für einige institutionelle Kunden. Die Positionen in den Signaldiensten unterscheiden sich schon allein aus regulatorischen Gründen von meinen eigenen Trading-Positionen.
MARC DAGHER: NEHMEN WIR IHR EIGENES PORTFOLIO.
Dagher: Die Anzahl meiner Positionen kann im Extrem zwischen zwei und 15 schwanken, wobei es die meiste Zeit um die zehn sind. Wenn wir einen Bullenmarkt haben, sind meist 80 bis 90 Prozent Long Trades und umgekehrt in einem Bärenmarkt überwiegend Short Trades. In Marktphasen ohne klaren übergeordneten Trend ist das Verhältnis von Long und Short Trades natürlich ausgeglichener. Hier kommt es besonders auf die Auswahl der besten Setups an. In einem klaren Bullen- oder Bärenmarkt kann man dagegen auch Geld verdienen, wenn man mit der übergeordneten Richtung geht, weil die meisten Kurse mit dem Markt steigen beziehungsweise fallen.
MARC DAGHER: KÖNNEN SIE SICH ERINNERN, WANN SIE 15 POSITIONEN GLEICHZEITIG OFFEN HATTEN?
Dagher: Das war während des Crashs im Jahr 2008. Natürlich nicht ganz am Anfang, denn ich konnte die übergeordnete Richtung auch erst Stück für Stück erkennen. Aber als mir klar wurde, dass es rasant nach unten geht, baute ich die Anzahl meiner Short-Positionen schnell weiter aus. Dennoch ist die Anzahl der Positionen nicht unbedingt das Entscheidende. Wichtig ist auch, wie viel Risiko ich bei den einzelnen Trades eingehe, was je nach Stärke des Setups deutlich variieren kann. Außerdem gehe ich in meinem eigenen Portfolio manchmal Risiken ein, die für andere nicht unbedingt angemessen erscheinen, aber für mich vertretbar sind.
MARC DAGHER: WELCHE GRÖSSENORDNUNG MEINEN SIE?
Dagher: Wenn ich ein starkes Signal habe, das durch verschiedene Analysetechniken bestätigt wird, und von dem ich wirklich überzeugt bin, kann ich bis zu 20 Prozent meines Handelskapitals in diese Position investieren. Im Durchschnitt sind es aber eher zwischen fünf und zehn Prozent. Für konservative Anleger empfehle ich, die Positionen nur mit zwei bis fünf Prozent umzusetzen. Schließlich sprechen wir nach wie vor von Hebelprodukten.
MARC DAGHER: … UND DIE HABEN ENTSPRECHENDE RISIKEN. WIE GEHEN SIE VOR, WENN SIE MIT EINEM TRADE FALSCH LIEGEN?
Dagher: Eine der schwierigsten Entscheidungen im Trading ist die, wann man eine Verlustposition beenden sollte. Dass ich meist mit Hebelprodukten arbeite, macht die Sache nicht einfacher. Die technische Analyse im Trading kann jedoch dabei helfen, solche Entscheidungen zu unterstützen, indem sie klare Unterstützungs- und Widerstandsniveaus identifiziert, die für den Trade entscheidend sein können. Hier kann man schon nach kurzer Zeit prozentual zweistellig im Verlust liegen. Meine Rückrechnungen haben aber gezeigt, dass es sich lohnt, auch größere Verluste auszuhalten, bevor man das Handtuch wirft. Nicht selten erholen sich Trades, die 30 Prozent im Minus liegen. Deshalb macht es Sinn, Positionen erst bei wirklich großen Verlusten zu verkaufen oder sogar den Totalverlust eines Trades in Kauf zu nehmen, wenn im Chart beispielsweise eine starke Unterstützung angesteuert wird, während der Turbo schon 50 Prozent im Minus liegt. Es kommt also immer auch auf die Chart-Situation an. Insgesamt haben meine Backtests jedenfalls bestätigt, dass ein grundsätzlicher Ausstieg zum Beispiel bei minus 30 Prozent insgesamt schlechter ist als die Bereitschaft, auch größere Risiken einzugehen und durchzuhalten. Aber man muss auch die verschiedenen Risikotoleranzen beachten.
B5 Endloser Kanal bei Danone
Wie hier im Monats-Chart zu sehen ist, bewegt sich die Danone-Aktie seit vielen Jahren in einem scheinbar endlosen Kurskanal. Jede Berührung stellte eine neue Trading-Gelegenheit dar. Quelle: www.tradesignalonline.com
MARC DAGHER: UND WIE GEHEN SIE VOR, WENN DER TRADE IN DEN GEWINN LÄUFT?
Dagher: Auch dabei kommt es auf die Chart-Situation an. Grundsätzlich nutze ich nachlaufende Stopps, solange der Kurs für mich läuft und es keinen Grund zum Ausstieg gibt. Die technische Analyse im Trading hilft mir dabei, solche Entscheidungen fundierter zu treffen, indem sie mir wichtige Unterstützung- und Widerstandsniveaus aufzeigt. Ich setze also keine festen Kursziele, sondern lasse den Markt entscheiden, da man nie weiß, wie weit sich der Kurs noch bewegen kann. Manchmal wird aber ein starker Widerstand oder eine starke Unterstützung angesteuert. Wenn ein solches Level im Chart offensichtlich im Weg ist, verkaufe ich, um dem erwarteten Retracement auf meinen Trailing-Stopp zuvorzukommen und den Gewinn voll einzustreichen. Sollte der Kurs dann trotzdem (ohne mich) weiter in die ursprüngliche Handelsrichtung laufen, bereue ich es aber nicht, zu früh ausgestiegen zu sein. Solche Sachen gehören einfach dazu; man kann nicht immer richtigliegen oder das Meiste herausholen.
B6 Trade vor Unternehmenszahlen bei ThyssenKrupp
Am Tag vor Bekanntgabe der Quartalszahlen kaufte Marc Dagher ein hoch gehebeltes Short-Zertifikat auf ThyssenKrupp, da sich die Aktie charttechnisch aufgrund der vorhergehenden Korrektur und des riesigen langfristigen Keils in einer klar bärischen Formation befand. Tatsächlich fiel der Kurs nach Bekanntgabe schwacher Zahlen am 09. August weiter und bescherte ihm einen Gewinn von rund 25 Prozent. Quelle: www.tradesignalonline.com
MARC DAGHER: WIE SIEHT IHR RISIKO-MANAGEMENT AUS?
Dagher: Eines muss jeder Trader wissen: Wer mehr Rendite erzielen möchte, muss auch höhere Risiken eingehen. Alles andere wäre Zauberei. Und da ich mit Turbos arbeite, sind die Risiken und Chancen in meinem Trading entsprechend groß. Um die Risiken im Griff zu behalten, ist das Zusammenspiel von drei Dingen entscheidend: Trefferquote, Chance/Risiko-Verhältnis (CRV) und Trade-Risiko. Meine Statistiken dazu liegen mit einer Trefferquote zwischen 55 und 75 Prozent, einem CRV von 1,5:1 bis 2:1 und einem Trade-Risiko von fünf bis zehn Prozent insgesamt im grünen Bereich. Dennoch arbeite ich immer daran, mich zu verbessern. Dazu setze ich vor allem beim CRV an, um noch etwas mehr herauszuholen.
MARC DAGHER: WIE OPTIMIEREN SIE IHR CRV?
Dagher: Mein Ansatz ist es, den Abstand zum Stopp zu minimieren, um dann auf Basis des kleineren Eingangsrisikos relativ dazu deutlich höhere Gewinne zu erzielen. Zum Beispiel versuche ich schon während der Ausbildung eines Dreiecks eine Position in Trendfolgerichtung der übergeordneten Bewegung zu eröffnen. Das ermöglicht meist ein sehr attraktives CRV. Natürlich kann man auch auf die Bestätigung durch den tatsächlichen Ausbruch warten, aber dann muss der Kurs deutlich weiter laufen, bevor ein ähnlich hohes CRV erreicht wird. Es gibt nur diese zwei Möglichkeiten, Dreiecke zu handeln – und ich favorisiere die riskantere Vorabposition. Das gleiche Prinzip nutze ich bei Clustern an starken Widerstands- oder Unterstützungsbereichen, wo der Stopp zum Teil sehr eng liegen kann. Manchmal plane ich hier nur rund zwei Prozent Abstand ein.
MARC DAGHER: BEDEUTET DAS, DASS SIE IHRE STOPP-ORDERS NICHT FEST AM MARKT PLATZIEREN?
Dagher: Ja, aber ich kann den Markt schließlich fortlaufend beobachten. Wenn der Stopp erreicht wird, schaue ich mir die Kursdynamik an und entscheide, ob ich direkt aussteige oder dem Markt noch etwas Spielraum gebe. Für Anfänger ist das ein gefährliches Spiel, vor allem wenn sie keine Zeit haben, die Kursbewegungen kurzfristig zu beobachten. Dann ist es besser, etwas weitere Stopps zu wählen oder die Orders fest einzugeben. Es kommt aber durchaus vor, dass mein Stopp kurz erreicht wird und der Markt dann doch wie erwartet in meine Richtung läuft. Dann ist es natürlich von Vorteil, die Order nicht fest platziert zu haben. Ich denke, dass es auch hier einige Erfahrung erfordert, die richtige Einschätzung zu treffen. Gleichzeitig denke ich, dass genau dieses diskretionäre Abwägen ein Vorteil menschlicher Händler gegenüber automatisierten Handelsstrategien ist, die solche Überlegungen nicht selbstständig anstellen können.
MARC DAGHER: SIE GEHEN MANCHMAL AUCH TRADES DIREKT VOR BEKANNTGABE VON UNTERNEHMENSZAHLEN EIN. IST DAS NICHT RISKANT UND WIDERSPRICHT SO MANCHEM TRADING-GRUNDSATZ?
Dagher: Ja, durchaus. Aber auch dahinter steckt eine Logik. Wir gehen solche Positionen nur dann ein, wenn es zuvor ein entsprechendes technisches Muster gab, das uns einen Vorteil verschafft. Wir spielen sozusagen mit den Erwartungen des Marktes, die kurzfristig scheinbar etwas aus der Balance geraten sind und eine Gegenreaktion erwarten lassen, solange die Zahlen nicht völlig anders als erwartet ausfallen. Und ja, manchmal geht ein solcher Trade auch deutlich daneben.
MARC DAGHER: WAS GLAUBEN SIE IST DER GRUND, WARUM IHRE TECHNISCHEN STRATEGIEN FUNKTIONIEREN?
Dagher: Das ist fast schon eine philosophische Frage. Funktionieren die Signale, weil die Marktteilnehmer darauf schauen, oder schauen sie darauf, weil es funktioniert? Es ist wie das klassische Henne-Ei-Problem. Die technische Analyse im Trading bietet jedoch eine Grundlage, auf der Marktteilnehmer fundierte Entscheidungen treffen können, unabhängig davon, ob sie bewusst oder unbewusst bestimmten Mustern folgen. Ich versuche, nicht im Detail danach zu fragen oder mir den Kopf darüber zu zerbrechen, sondern fokussiere mich auf meine Methode, kenne ihre Stärken und Schwächen und setze darauf, dass bei multiplen Signalen an der gleichen Stelle im Chart in der Mehrzahl der Fälle eines der Signale dazu führt, dass viele andere Trader ebenfalls in Richtung meiner Position handeln. Die endgültige Antwort darauf, warum bestimmte Sachen an den Märkten funktionieren, hat ohnehin niemand. Dafür ist die Börse viel zu komplex.
MARC DAGHER: WAS WAR DIE WICHTIGSTE LEKTION, DIE SIE AN DEN MÄRKTEN GELERNT HABEN?
Dagher: Mein früherer Mentor sagte einmal, dass es im Trading vor allem auf eines ankommt: die Fähigkeit, siebenmal hintereinander einen Euro zu verlieren, um dann auf einmal zehn Euro zu verdienen. Das bedeutet auch, dass Trading ein anstrengender Beruf ist, der viel mehr Arbeit und Durchhaltevermögen erfordert, als den meisten Einsteigern bewusst ist.
MARC DAGHER: WAS WÜRDEN SIE EINSTEIGERN EMPFEHLEN?
Dagher: Alles, was man im stets unsicheren Umfeld der Märkte tun kann, ist, seine eigene Methode zu entwickeln und herauszufinden, wie man sie am besten anwendet, um damit Gewinne zu erzielen. Die technische Analyse im Trading spielt dabei eine wichtige Rolle, da sie hilft, wiederkehrende Muster und Trends in den Kursbewegungen zu identifizieren, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Das hängt von der Marktphase und dem Umfeld ab, in dem wir uns befinden. Außerdem muss man herausfinden, was die Stärken und Schwächen des Handelsansatzes sind und wie sich Erstere ausbauen und Letztere vermeiden lassen. Das ist ein langer Prozess, der auch Selbsterkenntnis und Anpassungsfähigkeit beinhaltet. Außerdem ist es wichtig, sich nicht in immer neuen Details zu verlieren. Man kann nur ein gewisses Maß an Analyse betreiben und muss mit der verbleibenden Unsicherheit trotzdem Entscheidungen treffen. Deshalb ist es auch entscheidend zu lernen, wie man die eigenen Emotionen kontrolliert, statt sich von ihnen kontrollieren zu lassen. Niemand wird an den Märkten einen Trick haben, der immer funktioniert. Man muss cool bleiben und der eigenen Methodik vertrauen, statt in der Hitze des Gefechts absurde Entscheidungen zu treffen.
Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 10.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.
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