Hebelprodukte blicken auf eine sehr lange Tradition zurück. Der erste bekannte Optionsschein datiert aus dem Jahr 1730. Die jüngste Kategorie der Hebelprodukte bilden die Faktor-Zertifikate, die 2009 das Licht der Welt erblickten. Doch egal, ob alt oder jung, alle Kategorien der Hebelprodukte sind Erfolgsgeschichten. Grundsätzlich lassen sich dabei drei Arten unterscheiden: Knock-out-Produkte, Optionsscheine und Faktor-Zertifikate.
Mit Hebelzertifikaten handeln Sie erfolgreich: Nachdem wir in der letzten Ausgabe (TRADERS´ 10/2018; im Shop unter www.traders-media.de erhältlich) unserem Trading-Praktikanten Tom den Weg zum passenden Anlagezertifikat erklärt haben, widmen wir uns nun den gehebelten Papieren. Im ersten Schritt geht es darum, für welche Trader die Produkte geeignet sind. Im Anschluss wird der Unterschied zwischen den drei Kategorien erläutert, bevor wir Tom die Stärken und Schwächen der verschiedenen Hebelprodukte in den jeweiligen Marktphasen zeigen.
Viele Einsatzmöglichkeiten
Hebelprodukte sind vielfältige Instrumente und können somit auch sehr differenziert eingesetzt werden. Deshalb eignen sie sich auch für viele Einsatzzwecke und in allen Marktphasen: zur leichteren Diversifikation kleinerer Portfolios, Performance-Verbesserung, Umsetzung verschiedener Trading-Strategien oder auch zum Absichern bestehender Positionen – auch Hedging genannt. Mit Hebelzertifikaten handeln Sie erfolgreich, wenn Sie die passende Unterart für Ihren Zweck finden. Hebelprodukte sind grundsätzlich für jeden Trader-Typ geeignet, es gilt nur die zum jeweiligen Zweck passende Unterart zu finden.
So funktionieren Knock-outs
Bei einem Knock-out-Produkt auf steigende Kurse (Long) müssen Trader nur einen Teil des Basiswertkurses bezahlen, nehmen aber vollständig an der Kursbewegung des Basiswerts teil. Der Teil, den der Käufer des Produkts übernimmt, ist die Differenz zwischen dem aktuellen Kurs des Basiswerts und dem Basispreis. Durch den geringeren Kapitaleinsatz entsteht die Hebelwirkung. Den Rest stellt der Emittent quasi als Kredit zur Verfügung. Mit Hebelzertifikaten handeln Sie erfolgreich, indem Sie diese Hebelwirkung nutzen. Bei einem Knock-out-Produkt auf fallende Kurse (Short) verkauft der Emittent den Basiswert leer. Da Sie auch hier nur einen Teil des aktuellen Kurses aufwenden müssen, entsteht ebenfalls eine Hebelwirkung.
Die Emittenten bieten eine große Anzahl an Knock-out-Produkten auf eine Vielzahl von Basiswerten an. Grundsätzlich gibt es drei Varianten dieses Produkttyps:
- Knock-out-Produkte mit Laufzeitbegrenzung
- Knock-out-Produkte ohne Laufzeitbegrenzung
- Knock-out-Produkte ohne Laufzeitbegrenzung mit zusätzlichem Stopp-Loss
Ein Knock-out-Produkt mit Laufzeitbegrenzung hat einen festen Basispreis, von dem aus es gepreist wird. Der Trader definiert die Knock-out-Schwelle, die nicht verletzt werden darf, sonst verfällt das Produkt wertlos. Ein Knock-out-Produkt ohne Laufzeitbegrenzung verhält sich ganz ähnlich – nur dass es sich immer wieder verlängert, indem der Basispreis im Zeitablauf angepasst wird. Das geschieht, um die Finanzierungskosten für den Quasi-Kredit sukzessive in das Produkt einzurechnen.
Bei einem Knock-out ohne Laufzeitbegrenzung mit Stopp-Loss – von manchen Emittenten auch Mini-Future genannt – gibt es neben dem Basispreis eine vorgelagerte Stopp-Loss-Schwelle. Wird sie erreicht, verfällt das Produkt vorzeitig. Mit Hebelzertifikaten handeln Sie erfolgreich, wenn Sie diese Stopp-Loss-Schwelle im Auge behalten. Die verbleibende Differenz zwischen Stopp-Loss und Basispreis, die der Emittent beim Auflösen der Konstruktion am Markt erzielt, wird dem Trader als Restwert gutgeschrieben.
ZitatMitFoto1
„Das größte Risiko ist die eigene Psyche. Oft werden Verluste nicht früh genug begrenzt und Gewinne zu schnell realisiert. Dieser Effekt verstärkt sich mit Hebelprodukten gegenüber Aktien – darum ist Disziplin mittels eines strikten Money-Managements Pflicht.“
Matthias Hüppe, Leiter Derivatives Public Distribution bei HSBC Deutschland
Die Funktionsweise der Optionsscheine
Optionsscheine funktionieren nach einem ganz anderen Prinzip. Ein Call-Optionsschein berechtigt den Trader theoretisch, den Basiswert zum Fälligkeitstermin zu einem bestimmten Preis (dem Basispreis) zu kaufen. Ist der Kurs des Basiswerts bei Fälligkeit höher als der Basispreis, ist das natürlich vorteilhaft. Mit Hebelzertifikaten handeln Sie erfolgreich, wenn Sie auf die Kursbewegungen des Basiswerts spekulieren. Ein Call-Optionsschein läuft also umso besser, je weiter der Basiswert über den Strike (Basispreis) steigt. Bei einem Put-Optionsschein hat der Inhaber das theoretische Recht, den Basiswert am Fälligkeitstermin zum Basispreis an den Stillhalter zu verkaufen. Er profitiert somit davon, wenn der Kurs des Underlyings möglichst weit unterhalb des Basispreises fällt.
Optionsscheine gehören damit zur Kategorie der Termingeschäfte. In beiden Fällen sind die Rechte nur theoretisch, weil es in der Praxis zu einem Barausgleich des Inneren Wertes kommt, und die Basiswerte nicht physisch ausgetauscht werden.
Schauen wir uns nun die Preisbildung bei Optionsscheinen an. Der Kurs dieser Produkte besteht aus zwei Komponenten: Zeitwert und Innerem Wert (siehe Bild 1). Notiert der Basiswert bei einem Call-Optionsschein während der Laufzeit unter dem Basispreis, so nennt man das im Fachjargon „aus dem Geld“, in der Nähe des Basispreises „am Geld“ und über dem Basispreis „im Geld“ – beim Put-Optionsschein ist es umgekehrt.
B1 Zeitwert eines Optionsscheins
Der Kurs eines Optionsscheins setzt sich aus Innerem Wert und Zeitwert zusammen. Liegt der Kurs des Basiswerts unterhalb des Basispreises, besteht der Kurs des Optionsscheins nur aus dem Zeitwert. Letzterer wird mit abnehmender Restlaufzeit abgebaut, bis er sich vollständig auflöst.
Quelle: www.traders-mag.com
I1 Volatilität versus implizite Volatilität
Die Volatilität ist in der Finanzmathematik ein Risikomaß und gibt die Schwankungsbreite eines Kurses an. Am Aktienmarkt gibt es jedoch zwei verschiedene Risikokennziffern, die es zu unterscheiden gilt. Die Volatilität meint die historische Volatilität, also die in der Vergangenheit beobachtete. Die 30-Tage-Volatilität gibt beispielsweise an, wie stark die Aktie oder der Index in den vergangenen 30 Handelstagen geschwankt ist. Dem gegenüber steht die implizite Volatilität. Diese kommt beispielsweise bei der Berechnung des Zeitwerts von Optionsscheinen zur Anwendung. Implizit bedeutet in diesem Fall die von Emittenten in Zukunft erwartete Schwankungsbreite. Damit wird auch der wichtigste Unterschied klar: Die Volatilität ist eine beobachtbare und einfach berechenbare Größe, während es sich bei der impliziten Volatilität um eine Prognose handelt. Beim Kauf von Optionsscheinen lohnt sich deshalb ein Blick auf die impliziten Volatilitäten der verschiedenen Emittenten. Mit Hebelzertifikaten handeln Sie erfolgreich, wenn Sie die implizite Volatilität richtig einschätzen.
Notiert ein Optionsschein aus dem Geld, beträgt der Innere Wert null, und nur der Zeitwert bestimmt den Kurs. Dem Zeitwert kommt bei Optionsscheinen generell eine hohe Bedeutung zu, um deren Kursbildung zu verstehen. Trader sollten beachten, dass Optionsscheine in den letzten Wochen der Laufzeit schneller an Zeitwert verlieren, und dieser am Ende null beträgt. Das bedeutet, dass nur ein eventueller Innerer Wert für den finalen Abrechnungspreis relevant ist, sollten Trader das Produkt nicht bereits vorzeitig verkauft haben.
Der Zeitwert wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, allen voran Restlaufzeit und Volatilität. Trader sollten beachten, dass es dabei nicht um die historisch beobachtete Volatilität des Basiswerts geht, sondern um die vom Emittenten erwartete Schwankungsbreite, die implizite Volatilität. Dieser Einflussfaktor führt dazu, dass Optionsscheine nicht in jedem Szenario ein geeignetes Produkt darstellen. Zu diesem Thema erfährt Trading-Praktikant Tom später noch mehr.
T1 Basiseffekt
Zeitpunkt | T | T+1 | T+2 | T+3 | T+4 | Woche |
XYZ-Index | 10 000 | 9 500 | 10 260 | 9 440 | 10 000 | 0,00% |
in % | -5% | 8% | -8% | 6% | ||
Faktor-Long-Zertifikat | 100 | 80 | 105,6 | 71,81 | 89,04 | -10,96% |
in % | -20% | 32% | -32% | 24% |
In diesem fiktiven Rechenbeispiel wird die Problematik des Basiseffekts deutlich. Die Kurse gehen abwechselnd deutlich hoch und runter. Am Ende ist der Beispielindex wieder am Ausgangspunkt, mit dem Faktor-Zertifikat hätte Tom jedoch fast elf Prozent verloren. Je länger es hin und her geht und je intensiver die Schwankungen sind, desto negativer fällt der Basiseffekt aus.
Quelle: www.traders-mag.com
T2 Performance-Vorteil Faktor-Zertifikate
Zeitpunkt | T | T+1 | T+2 | T+3 | T+4 | Woche |
XYZ-Index | 10 000 | 10 500 | 11 025 | 11 576 | 12 155 | +21,55% |
in % | 5% | 5% | 5% | 5% | ||
4-Fach Faktor-Long-Zertifikat | 100,00 € | 120,00 € | 144,00 € | 172,80 € | 207,36 € | +107,36% |
in % | 20% | 20% | 20% | 20% | ||
Knock-out* | 25,00 € | 30,00 € | 35,25 € | 40,76 € | 46,55 € | +86,20% |
in % | 20% | 17,50% | 15,63% | 14,21% |
Nach fiktiven vier Tagen mit konsequent steigenden Kursen von jeweils fünf Prozent gegenüber dem Vortag zeigen Faktor-Zertifikate ihre volle Stärke. Das Knock-out-Produkt, das zu Beginn wie das Faktor-Zertifikat einen Hebel von vier hat, legt am Ende 86,2 Prozent zu und damit genau das Vierfache der Strecke, die der Index insgesamt vom Start aus gesehen zulegen konnte. Das Faktor-Zertifikat hingegen erneuert jeden Tag den Hebel wieder auf vier. In diesem Beispiel macht das am Ende mehr als 20 Prozent Überrendite aus.
Quelle: www.traders-mag.com; *Basispreis 7500 Punkte, Ratio 0,01, Hebel: 4,0
B2 Impulsiver Ausbruch bei Bayer (Faktor)
Dieses Beispiel zeigt, wo Faktor-Zertifikate ihre Stärke am besten ausspielen: bei kurzen, impulsiven Ausbrüchen, wie es bei Bayer der Fall war. Aufgrund eines Gerichtsurteils zur Tochter Monsanto brach die Aktie mit einem riesigen Gap ein. Das Tief des Gap-Tages hatte sich danach noch viermal als Unterstützung bewährt. Als dann am 04. September die Aktie erstmals unter dieser Unterstützung schloss, hätte man theoretisch einen Short Trade eingehen können. Es folgten fünf Handelstage hintereinander mit Kursverlusten, die zum Teil recht deutlich waren. Insgesamt gab die Aktie in dieser kurzen Zeit 12,39 Prozent – gemessen am rückblickend optimalen Tagestief am 11. September – ab. Hätte Tom am 04. September ein Knock-out-Short mit Hebel acht gekauft, hätte er zirka 99 Prozent Gewinn erzielt. Doch mit dem 8-fach-Short-Faktor-Zertifikat hätte er das Ergebnis optimieren können. Am 04. September kostete es 25,15 Euro, woraus bis zum Tagestief am 11. September 61,69 Euro geworden wären – ein Gewinn von 146,36 Prozent.
Quellen: www.tradesignalonline.com, www.traders-mag.com, www.onvista.de
So funktionieren Faktor-Zertifikate
Faktor-Zertifikate bieten Tradern die Möglichkeit, mit konstantem Hebel an der täglichen Wertentwicklung eines Basiswerts teilzuhaben. Täglich bezieht sich dabei auf die prozentuale Wertveränderung innerhalb eines Handelstags gegenüber dem Schlusskurs des Vortags. Bei anderen Hebelprodukten verändert sich der Hebel im Zeitablauf – je nachdem, wie sich der Basiswert entwickelt. Faktor-Zertifikate kommen ohne Basispreis, Knock-out-Schwelle und Laufzeitbegrenzung aus, da sie eine von einer externen Stelle (zum Beispiel der Deutschen Börse) berechnete gehebelte Variante des zugrunde liegenden Index abbilden, der dem entsprechend gehebelten Basiswert entspricht. Einfach ausgedrückt: Steigt der Basiswert an einem Tag um drei Prozent, wird an diesem Tag ein 2-fach-Faktor-Long-Zertifikat gegenüber dem Vortag um sechs Prozent zulegen.
Um zu gewährleisten, dass der gehebelte Index bei extremen Wertverlusten nicht auf null fallen kann, erfolgt bei Erreichen bestimmter Grenzwerte ein Resett. Das bedeutet, dass innerhalb des Handelstags eine neue Berechnungsbasis eingeführt, also ein neuer Handelstag simuliert wird. In der Regel erfolgt diese Maßnahme, wenn der gehebelte Index Verluste von 50 Prozent aufweist. Das entspricht beispielsweise einem Wertverlust des zugrunde liegenden Basiswerts von 25 Prozent bei einem Faktor von zwei oder 6,25 Prozent bei einem Faktor von acht.
Die wichtigste Besonderheit, die man für den richtigen Einsatz wissen muss: Dadurch, dass der Hebel jeden Tag neu auf den Ursprungswert adjustiert wird, gibt es einen mathematischen Effekt, den Basiseffekt. Wenn der Basiswert beispielsweise erst fünf Prozent fällt und am nächsten Tag wieder fünf Prozent steigt, ist er trotzdem nicht wieder am Ausgangspunkt. Das liegt daran, dass die fünf Prozent Zugewinn ja von der niedrigeren Basis (95 Prozent des Ursprungskurses) ausgehen. Durch den Hebel der Faktor-Zertifikate kann dieser Effekt unter bestimmten Umständen verstärkt werden. Tom wird gleich erfahren, in welchen Szenarien er deshalb besser andere Produkte wählt. Mit Hebelzertifikaten handeln Sie erfolgreich, wenn Sie die täglichen Wertveränderungen des Basiswerts präzise nutzen.
ZitatMitFoto2
„Bei Hebelzertifikaten geht es nicht um Kaufen und Liegenlassen. Man muss sich aktiv kümmern. Genauso wichtig: die Feinheiten der Produkte. Ärgerlich ist es etwa, wenn man ausgeknockt wurde und nicht weiß, wann und warum. Keine Sorge: Das alles ist keine große Wissenschaft.“
Volker Meinel, Derivate Experte von BNP Paribas
Szenario 1: leicht steigende Kurse
Bei leicht steigenden Kursen kann Tom verschiedene Hebelprodukte nutzen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Art der Aufwärtsbewegung: eher kontinuierlich mit wenigen Ausschlägen nach unten oder wellenförmig mit großen Ausschlägen nach oben und unten. Bei der zuletzt genannten Variante eignen sich Faktor-Zertifikate am wenigsten. Der schon angesprochene Basiseffekt kann dann dazu führen, dass es zu Verlusten kommt, obwohl man eigentlich mit der Bewegungsrichtung richtig lag. Tabelle 1 verdeutlicht das anhand eines Rechenbeispiels.
Knock-out-Produkte eignen sich für die volatile Aufwärtsbewegung schon eher. Tom sollte bei der Auswahl nur darauf achten, dass die Knock-out-Barrieren weit genug entfernt sind, um bei einer zwischenzeitlichen Gegenbewegung nicht gleich ausgeknockt zu werden. Bedingt eignen sich auch Call-Optionsscheine, die aber davon belastet werden, dass bei steigenden Kursen die Volatilität normalerweise sinkt, was den Zeitwert negativ beeinflusst. Ausnahme: Wenn Tom einen Call kauft, der schon relativ weit im Geld notiert, dann ist der Einfluss des Zeitwerts auf den Gesamtwert relativ gering und somit vernachlässigbar.
Wenn Tom einen langsam und kontinuierlich steigenden Markt erwartet, sind Knock-out-Produkte und Faktor-Zertifikate geeignet. Da eine solche Marktphase meist mit deutlich sinkender Volatilität einhergeht, sind Call-Optionsscheine hier am wenigsten geeignet.
Szenario 2: dynamisch steigende Kurse
Wenn Tom von dynamisch steigenden Kursen ausgeht, sind Faktor-Zertifikate die erste Wahl. Tabelle 2 zeigt die Überlegenheit dieser Produktkategorie gegenüber anderen Hebelprodukten, wenn es an mehreren Tagen in Folge zu deutlichen Kursgewinnen kommt. Dadurch, dass der Hebel jeden Tag konstant der gleiche ist, ist das Ergebnis am Ende besser als bei anderen Instrumenten, da dort der Hebel eines Calls mit steigenden Kursen immer weiter abnimmt. Da sich solche impulsiven Bewegungen meist nur über wenige Tage erstrecken, sind Faktor-Zertifikate vor allem für das kurzfristige Trading geeignet.
Für dieses Szenario sind auch Knock-out-Zertifikate und Optionsscheine geeignet. Denn falls wider Erwarten doch ein oder zwei gegenläufige Handelstage dazwischenkommen, ist der kleine Performance-Vorsprung der Faktor-Zertifikate schnell wieder dahin.
Szenario 3: fallende Kurse traden
Wenn der erwarteten Abwärtsbewegung eine längere kontinuierliche Aufwärtsbewegung vorausging, kann Tom davon ausgehen, dass die implizite Volatilität niedrig ist – wie es bei stetig steigenden Kursen häufig der Fall ist. Dann sind Optionsscheine in der Regel verhältnismäßig günstig. Wenn nun eine dynamische Abwärtsbewegung folgt, steigt die implizite Volatilität oft deutlich an. Hält Tom zu diesem Zeitpunkt bereits Put-Optionsscheine, profitiert er doppelt: zum einen vom Kursverlust und zum anderen von der steigenden Volatilität, die den Zeitwert steigen lässt. Deshalb eignen sich Optionsscheine ganz besonders bei fallenden Kursen, wenn zuvor eine niedrige Volatilität herrschte und der Einstieg rechtzeitig erfolgte. Eine Orientierung dazu, wie sich die implizite Volatilität gerade entwickelt, erhält Tom anschaulich anhand des VDAX NEW.
Die anderen Produktkategorien sind grundsätzlich ebenfalls für fallende Kurse geeignet. Bei Faktor-Zertifikaten gilt analog zu steigenden Kursen: Erfolgt die Abwärtsbewegung unter großen Schwankungen, sind sie eher weniger geeignet. Je kontinuierlicher und dynamischer die Korrektur vonstattengeht, desto überlegener die Performance der Short-Faktor-Zertifikate.
Auch bei Knock-out-Produkten der gleiche Rat wie auf der Long-Seite: Achten Sie darauf, dass die Knock-out-Barriere weit genug entfernt ist, um bei größeren Schwankungen des Basiswerts nicht vorzeitig ausgeknockt zu werden.
B3 Vergleich Knock-out mit Faktor-Zertifikat in der volatilen Bewegung
Den Unterschied zwischen Knock-out-Produkt und Faktor-Zertifikat in einer volatilen Aufwärtsbewegung verdeutlicht das Beispiel BMW in diesem Sommer. Wäre Tom am 02. Juli mit Hebel acht Long gegangen, wäre das Ergebnis ziemlich unterschiedlich ausgefallen, da der Trend zwar insgesamt nach oben zeigte, es aber beinahe genauso viele Abwärts- wie Aufwärtstage gab. Als Exit-Szenario hätte beispielsweise der erste Schlusskurs außerhalb des Trendkanals am 04. September verwendet werden können. Die Aktie selbst stieg in diesem Zeitraum von 77,73 auf 81,88 Euro und legte somit 5,34 Prozent zu. Ein Knock-out-Produkt mit Hebel acht hätte theoretisch gut 42 Prozent zulegen müssen.
Der Wave Unlimited Call auf BMW hatte zum Kaufzeitpunkt einen Hebel von knapp unter acht, kostete beim Einstieg 1,06 Euro und konnte dann am 04. September 2018 zu 1,43 Euro verkauft werden – ein Gewinn von 34,9 Prozent. Das sind etwas weniger als die erwarteten 42 Prozent, da der Hebel eben nicht ganz bei acht lag und im Zeitverlauf der Basispreis um die Finanzierungskosten ansteigt. Das Faktor-Zertifikat mit dem Faktor acht garantiert hingegen täglich den Hebel. Doch in diesem Beispiel war das aufgrund des Hin und Hers kontraproduktiv. Das Produkt kostete zum Schlusskurs am 02. Juli 2,89 Euro und zum Close am 04. September 3,48 Euro. Das entspricht einem Gewinn von 20,4 Prozent und damit nur gut der Hälfte des zu erwartenden Gewinns.
Quellen: www.tradesignalonline.com, www.traders-mag.com, www.onvista.de
T3 Übersichtstabelle der Hebelprodukte
klassischer | Faktor-Zertifikat | Turbo-Optionsschein | Open-End-Turbo- | Mini-Future | |
Optionsschein | mit Laufzeitbegrenzung | Optionsschein | |||
Laufzeit | begrenzt | unbegrenzt | begrenzt | unbegrenzt | unbegrenzt |
Abhängigkeit | Differenz zwischen Kurs des Basiswerts und Strike (nur am Bewertungstag) | Tagesabhängig; Rendite vs. Schlusskurs Vortag x Faktor | Differenz zwischen Kurs des Basiswerts und Strike; | Differenz zwischen Kurs des Basiswerts und Strike; | Differenz zwischen Kurs des Basiswerts und Strike; |
der Rückzahlung | Knock-Out-Barriere | Knock-Out-Barriere | Stopp-Loss-Barriere | ||
Knock-out/Stopp-Loss | nein | nein | ja | ja | ja |
Restwert bei Knock-out/Stopp-Loss | nein | nein | nein | nein | ja* |
Volatilitätseinfluss | hoch | nein* | nur in der Nähe der Barriere | nein | nein |
Finanzierungskosten über | Aufgeld | ManagementGebühr | Aufgeld | Anpassung Basispreis | Anpassung Basispreis und Stopp-Loss |
Totalverlust | Kurs des Basiswerts am Laufzeitende auf oder unter (Call) bzw. auf oder über (Put) dem Basispreis | Quasi-Totalverlust bei langem Gegentrend oder starkem Basiseffekt | bei Berührung/Verletzung der Barriere während der Laufzeit | bei Berührung/Verletzung der Barriere während der Laufzeit | bei Knock-out verbleibt aufgrund eingebauter Stopp-Loss-Schwelle kleiner Restwert* |
Rückzahlung bei Fälligkeit | Innerer Wert (am Bewertungstag) | kein Fälligkeitstermin | Innerer Wert (wenn Barriere während der Laufzeit unverletzt), ansonsten Totalverlust | kein Fälligkeitstermin | kein Fälligkeitstermin |
*Ausnahme: Extreme Marktphasen (Faktor-Zertifikat: Intraday Reset möglich, Mini-Future: Restwert kann bei großen Kurslücken null sein). |
Die dargestellten Hebelprodukte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Laufzeit und möglicher Knock-out- beziehungsweise Stopp-Loss-Schwellen, deren Verletzen zum sofortigen Teil- beziehungsweise Totalverlust führt.
Quelle: www.traders-mag.com
Szenario 4: gegen fallende Kurse absichern
Tom hat Aktien oder Index-ETF s in seinem Depot und will sie nicht verkaufen. Er vermutet aber, dass es zu einer Korrektur kommt. Da er keine Lust hat, in diesem Fall deutlich ins Minus zu rutschen, möchte er sich gegen die Verluste schützen. Auch dafür eignen sich Hebelprodukte prima. Weil bei Optionsscheinen mit steigender impliziter Volatilität auch der Zeitwert steigt, eignen sie sich besonders gut zum Hedgen. Tom kann sich nahezu komplett oder auch nur gegen einen Teil der Verluste absichern. Beide Varianten erläutern wir anhand eines Beispiels.
Tom hat 100 Daimler-Aktien in seinem Portfolio. Aktuell (26.09.2018) kostet die Aktie 54,21 Euro. Er will sie mindestens noch bis Sommer 2020 halten. Für eine nahezu vollständige Absicherung kann Tom beispielsweise einen Put-Optionsscheine kaufen. Ein Beispielschein kostet zum Zeitpunkt der Berechnung 0,94 Euro, hat einen Fälligkeitstermin am 17.06.2020 und einen Basispreis von 54 Euro. Das Bezugsverhältnis beträgt 0,1. Das heißt, ein Stück deckt die Bewegung von 0,1 Aktien ab.
Im Umkehrschluss braucht Tom zehn Puts, um eine Aktie abzusichern. Da Tom 100 Aktien hat, müsste er also 1.000 Puts kaufen. Da wird auch schon der Haken ersichtlich: Während der Wert der Aktienposition zu Beginn 5.421 Euro beträgt, muss er 940 Euro (plus Transaktionskosten) für die volle Verlustabsicherung zahlen. Das sind immerhin 17,34 Prozent der zu schützenden Summe, was wohl kaum akzeptabel ist.
Wenn Tom jedoch auf eine „Vollkasko“ verzichtet und stattdessen nur einen Teil versichert, geht das auch günstiger. Beispiel: Tom will sich nur gegen Verluste unterhalb von 40 Euro absichern, da er Verluste bis dahin verkraften kann. Dafür muss er Puts mit Basispreis 40 Euro kaufen. Diese Puts haben ebenfalls ein Bezugsverhältnis von 0,1 und dieselbe Laufzeit. Der Kurs beträgt 0,33 Euro, sodass diese Teilabsicherung nur 330 Euro kosten würde – kaum mehr als ein Drittel der Vollabsicherung. Grundsätzlich gilt: Je länger der Zeitraum ist, der abgesichert werden soll, und je näher der Basispreis am Geld liegt, desto teurer wird das Hedgen, da dann ja der Zeitwert höher ist.
Neben Optionsscheinen eignen sich auch Knock-out-Produkte zum Hedgen. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass Tom vorzeitig ausgeknockt wird und somit seinen Schutz verliert. Es gilt: Je weiter weg die Knockout-Barriere ist, desto niedriger das Risiko, frühzeitig ausgeknockt zu werden. Allerdings wird die Absicherung mit steigender Entfernung zum Knock-out auch immer teurer.
Die zur Absicherung notwendige Stückzahl ermittelt sich auch hier mit der Formel:
Stückzahl der zu hedgenden Aktien / Bezugsverhältnis
Dazu ein fiktives Beispiel: Aktie a kostet 100 Euro und Tom hat 50 Stück davon im Portfolio. Kauft er einen Turbo-Bear mit dem Basispreis bei 105 Euro und einem Bezugsverhältnis von 1,0, kostet dieser (ohne Aufgeld) fünf Euro. Der Hebel beträgt 20. Tom muss also 250 Euro aufwenden, um seine Position vollständig zu hedgen.
Nimmt er jedoch einen Turbo-Bear mit einem Basispreis bei 120 Euro, ist der Hebel nur noch bei fünf und das Risiko, vorzeitig ausgeknockt zu werden, dementsprechend geringer. Allerdings würde dieses fiktive Produkt ohne Berücksichtigung des Aufgelds 15 Euro kosten und eine vollständige Absicherung damit 750 Euro.
Die dritte Kategorie der Faktor-Zertifikate eignet sich aufgrund der bereits besprochenen Pfadabhängigkeit nicht zur längerfristigen Absicherung, da aufgrund des Basiseffekts auch das Ergebnis kaum kalkulierbar ist.
ZitatMitFoto3
„Mit Hebelprodukten ist eine gehebelte Partizipation am Basiswert möglich. Und das nicht nur bei steigenden, sondern auch bei fallenden Kursen. Außerdem ist bei vielen Produkten eine K.o.-Schwelle eingebaut, die wie ein automatischer Stopp-Loss fungiert.“
Sebastian Bleser, Experte für Anlage- und Hebelprodukte bei HypoVereinsbank onemarkets
Die Zeitfrage
Neben der Frage, welche Marktrichtung zu erwarten ist, sollte Tom auch seinen Zeithorizont klar definieren, denn der ist ebenfalls für die Auswahl der richtigen Hebelproduktkategorie wichtig. Wenn Tom längerfristig investieren und dabei Hebelprodukte nutzen will, um sein als Praktikant noch nicht üppiges Kapital breiter zu streuen, sind Knock-out-Produkte ohne Laufzeitbegrenzung die richtige Wahl, da sie den Zeithorizont nicht einengen. Allerdings muss Tom dabei beachten, dass der Basispreis sukzessive nach oben angepasst wird, um die Finanzierungskosten einzupreisen. Bewegt sich der Basiswert dann zu wenig, kann es passieren, dass die Laufzeit eben doch frühzeitig durch einen Knock-out endet.
Mit Hebelzertifikaten handeln Sie erfolgreich, wenn der Zeithorizont zu den täglichen Anpassungen des Hebels passt. Beim kurz- bis mittelfristigen Traden sind grundsätzlich alle drei Instrumente geeignet. Tom sollte jedoch bei den laufzeitbegrenzten Produkten darauf achten, dass die Laufzeit auch mit dem Zeithorizont des Trades übereinstimmt. Bei Optionsscheinen empfiehlt es sich, den erwarteten Zeithorizont nochmals plus mindestens sechs Wochen zu wählen, da der Zeitwertverlust von Optionsscheinen in dieser Zeit überproportional zunimmt.
Wenn Tom nur sehr kurzfristig traden will, eignen sich Knock-out-Produkte, aber auch und vor allem Faktor-Zertifikate. Genau auf dieser Zeitebene können Letztere den täglich neu adjustierten Hebel als Stärke ausspielen. Optionsscheine eignen sich grundsätzlich auch, da der Zeitwertverlust in wenigen Tagen – wenn die Restlaufzeit nicht zu kurz gewählt wurde – nicht sonderlich ins Gewicht fällt. Allerdings macht der Volatilitätseinfluss gerade auf sehr kurze Sicht das Ergebnis hier etwas unkalkulierbar.
Die Risikobeurteilung
Traden heißt nicht nur, die richtigen Chancen zu finden. Genauso wichtig ist es, das Risiko zu beherrschen und einzugrenzen. Aus dieser Perspektive sollte Tom auch die Auswahl der Produktkategorie beleuchten. Zwischen Optionsscheinen und Knock-out-Produkten gibt es einen grundsätzlichen Risikounterschied. Während es bei Optionsscheinen der Faktor Zeit ist, der das Risiko maßgeblich beeinflusst, sind es bei Knock-out-Produkten temporäre Kursausschläge in die falsche Richtung, die zum eigentlichen Kursrisiko hinzukommen, und bei Faktor-Zertifikaten der auf längere Sicht oftmals nachteilige Basiseffekt. Die Entscheidung, welches Risiko das bessere ist, variiert mit dem Trading-Szenario und sollte von Tom nach sorgfältiger Abwägung getroffen werden.
I2 Finanzierungskosten
Die Finanzierungskosten sind Kosten für den Quasi-Kredit, den der Emittent zur Verfügung stellt. Neben dem Zins enthalten die Kosten noch die Marge für den Emittenten. Als Zinssatz wird in der Regel der Euro-Over-Night-Index-Average (EONIA) verwendet. Die Einrechnung erfolgt bei Open-End-Produkten über eine börsentägliche Anpassung des Basispreises; bei laufzeitbegrenzten Produkten sind die Finanzierungskosten im Zeitwert eingerechnet. Die Berechnung erfolgt nach folgender Formel:
= (akt. Basispreis x
Zinssatz (inkl. Marge) x Tage) / 360
Beispiel: Basispreis 50€, Zinssatz 4%, 1 Tag
= (50€ x 0,04 x 1) / 360 = 0,00555€
In diesem Beispiel würde der Basispreis des Open-End-Produkts an diesem Tag um 0,555 Cent nach oben angepasst werden. Bei einem laufzeitbegrenzten Produkt wird zu Beginn der ganze Betrag auf den Zeitwert aufgeschlagen und dann sukzessive von diesem abgezogen. Die Emittenten veröffentlichen die Kosten in der Regel auf ihrer Internetseite, in den Basisinformationsblättern oder den Endgültigen Angebotsbedingungen.
Fazit
Trader haben in der heutigen Zeit eine große Auswahl an Hebelprodukten für jeden denkbaren Einsatz. Doch die verschiedenen Produktarten haben ihre Eigenheiten, die das Trading-Ergebnis teilweise deutlich beeinflussen können. Mit Hebelzertifikaten handeln Sie erfolgreich, wenn Sie sich vor einem Trade genaue Gedanken dazu machen, welches Hebelprodukt am besten zum jeweiligen Marktszenario passt. Unabhängig davon, für welches Trading-Szenario und Produkt Sie sich entscheiden, müssen Sie sich im Vorfeld des Tradings stets Gedanken zum Risikomanagement machen. Wenn Sie diese Schritte durchdacht und geplant haben, steht dem Handel mit Hebelprodukten nichts mehr im Weg.
Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 11.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.
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