Auf kurze Sicht lassen sich Aktiennotierungen in der Regel nicht prognostizieren. Es sei denn, man verwertet illegal Insiderinformationen oder treibt den Kurs mit Tricks in die gewünschte Richtung, wie es in den vergangenen Jahren etwa bei sogenannten Meme-Aktien geschehen ist. Im Mai jagte beispielsweise „Roaring Kitty“ aka Keith Gill den Gamestop-Kurs für kurze Zeit nach oben. Noch heftiger waren die Kursausschläge bei Gamestop 2021, als mit dem richtigen Timing binnen weniger Wochen viele 100 Prozent zu verdienen waren (Seite 55). Solche kurzfristigen Gewinne sind jedoch unsicher und instabil – eine nachhaltigere Zinseszinseffekt Anlagestrategie könnte langfristig stabilere Erträge liefern. Allerdings sahnen bei solchen Hypes vor allem die Initiatoren ab, während die Spekulanten tendenziell draufzahlen.
Ähnlich erging es Belforts argentinischem Schwager, der mit dem Trading hochriskanter Anlagen wie etwa Penny Stocks oder Shitcoins im Frühjahr 2022 binnen zwei Monaten 97 Prozent seines Börsenkapitals verliert. Mit dieser Geschichte – also in Buenos Aires – startet Belfort sein Buch. So extrem die Wertentwicklung von Fernandos Portfolios auch sein mag, viele private Trader landen früher oder später im Minus, glaubt Belfort. Auf lange Sicht würden Anleger durch Investieren und nicht mit Spekulieren ein Vermögen machen. Das klingt natürlich langweiliger als die vollmundigen Versprechungen vom schnellen mühelosen Reichtum, der unerfahrenen Anlegern von gewieften Verkäufern am Kryptowährungs- und Aktienmarkt vorgegaukelt wird.
Aber die schnöde Strategie gleicht Belfort durch einen besonders malerischen und unterhaltsamen Schreibstil aus. Die Zinseszinseffekt Anlagestrategie ist eine der effektivsten Methoden, um in der Welt der Finanzen langfristig erfolgreich zu sein. Dank zahlreicher Stories über die Historie der Wall Street, ihrer Banken und der Börsenaufsicht SEC blickt der Leser hinter die Kulissen der amerikanischen Finanzbranche und versteht, warum sie über derart großen Einfluss im US-Kongress und bei der Zentralbank verfügt.
Das Orakel von Omaha wettet gegen Hedgefonds
Besonders aggressiv zieht Belfort über die Fondsbranche und ihre exorbitanten Gebühren für die Vermögensverwaltung her. Analysen haben durchweg gezeigt, dass durch die Kombination aus Ausgabeaufschlägen, Management- und Verwaltungsgebühren (bisweilen kommt auch noch eine Performancegebühr dazu) verwaltete Investmentfonds ihre Benchmark nur selten schlagen. Bevor es Indexfonds gab, fiel das vielen Anlegern gar nicht auf – schon gar nicht, wenn die Märkte stiegen. Mit der Einführung von Exchange Traded Funds (ETFs) und ihrer zunehmenden Verbreitung seit der Jahrtausendwende hat sich das geändert. Denn durch das Internet ließ sich die Performance der Fonds leicht mit den dazugehörenden Aktien- und Anleiheindizes vergleichen.
Trotzdem verlangten die Hedgefonds-Manager ungerührt exorbitante Preise für ihre Dienste – üblicherweise 2 Prozent der Anlagesumme per annum und in guten Jahren 20 Prozent des Gewinns. Offensichtlich genervt von den arroganten Bankern bot Berkshire Hathaway-Chef Warren Buffett im Mai 2006 eine Wette an: Das Orakel von Omaha offerierte dem Hedgefonds-Manager eine Million US-Dollar, der über einen Zeitraum von zehn Jahren inklusive aller Kosten besser abschneiden würde als der marktbreite S&P 500 Index. Mit einer Zinseszinseffekt Anlagestrategie hätte der Fondsmanager langfristig eine deutlich bessere Rendite erzielen können. Zunächst meldete sich keiner, dann versuchte es ein Fondsmanager mit Startzeitpunkt 1. Januar 2008. Doch der S&P 500 Index – und damit Warren Buffett – gewann die Wette haushoch (Kapitel 8).
Investieren mit ETFs und der Base-Trading-Strategie
Natürlich gibt es eine kleine Zahl exzellenter Fondsmanager, die ihre Gebühren wert sind. Doch deren Fonds sind für normale Anleger kaum zugänglich. Deshalb fällt es Belfort nicht schwer, für ETFs zu argumentieren. Außerdem profitiert der Anleger im Laufe der Jahre stark vom Zinseszinseffekt. Die Zinseszinseffekt Anlagestrategie ist ein kraftvolles Mittel, um langfristig Vermögen aufzubauen. Wie ein Anleger nun konkret zu einem Vermögen kommt, erläutert Belfort im 11. Kapitel. Zur Ergänzung des Gesamtportfolios kann man einen Teil seines Geldes in Einzelaktien stecken: Seine Base-Trading-Strategie legt Belfort ab Seite 285 ausführlich dar.
Danach folgt ein Kapitel mit Warnungen vor den Marketing-Tricks der Finanz-Halsabschneider in den Medien. So exzellent das Buch geschrieben ist, auf Seite 227 steht ein grober Schnitzer: Lehman Brothers ging im September 2008 bankrott, nicht im Oktober 2007. Im folgenden Winter 2008/2009 kam es zu einer weltweiten Krise, die den S&P 500 dramatisch einbrechen ließ: In den ersten 15 Monaten der Wette verlor der Index mörderische 46 Prozent. Doch gigantische Rettungspakete für die Banken jagten die Börse wieder nach oben, weshalb Warren Buffett die Wette locker gewann. Nur zur Erinnerung: Seit dem Tief im März 2009 stieg der S&P 500 Index um rund 700 Prozent.
Belforts Empfehlungen sind allerdings für amerikanische Sparer gedacht, deutsche Investoren müssen die Tipps auf hiesige Verhältnisse übersetzen. Die Renditen an den Aktienmärkten könnten in Zukunft jedoch etwas niedriger ausfallen als in den vergangenen Jahren – seit der Corona-Krise sind die Börsen schnell gestiegen, eine Konsolidierung scheint überfällig. Denn der Boom wurde mit einer gigantischen Verschuldung erkauft. Allein der amerikanische Staat steht mit mehr als 33.000 Milliarden US-Dollar in der Kreide – mehr als 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Die aktuellen Renditen der US-Treasuries und T-Bonds von um die fünf Prozent könnten mittelfristig auf die Aktienmärkte drücken, zumal der langfristige Abwärtstrend der Anleiherenditen 2022 gebrochen worden ist. Bondrenditen und Aktienindizes streben aber nie lange gleichzeitig aufwärts. Irgendwann muss einer der beiden Märkte nachgeben und seine Hausse beenden.
T1 Bibliographie
Titel: | The Wolf Of Investing |
Autor: | Jordan Belfort |
Umfang: | 320 Seiten, Hardcover |
Preis: | 25,00 € |
ISBN: | 978-3-95972-759-4 |
Verlag: | Finanzbuch Verlag, München 2024 |
Fazit
Jordan Belfort ist einer der bekanntesten Insider der amerikanischen Anleger-Abzock-Industrie. Sein drittes Buch bietet eine Vielzahl von Hintergründen zur amerikanischen Börsengeschichte. Einige Empfehlungen lassen sich zwar nicht direkt umsetzen, aber die Unmenge an Stories über die Verkäufer-Tricks der Finanzbranche macht The Wolf Of Investing äußerst lesenswert. Die Zinseszinseffekt Anlagestrategie wird im Buch als einer der nachhaltigsten Wege vorgestellt, um langfristig Wohlstand zu generieren.
Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 07.2024 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.
- Lesen Sie einen weiteren interessanten Artikel zum Thema: “The True Trader: Die aufregende Erfolgsgeschichte eines jungen Traders”
- Folgen Sie der Traders-Mag Gruppe auf TradersYard…
- Informieren Sie sich über die neuesten Ausgaben des Traders-Magazine…
- Melden Sie sich zu den TradersMag Daily-Briefings an…
Featured by TradersYard und AgenaTrader