"What Works on Wall Street: Die besten Investmentstrategien aller Zeiten"

„Die Geschichte ist eine bessere Richtschnur“

Beim flüchtigen Durchblättern fallen sofort die enorm vielen Tabellen und Grafiken ins Auge. Sie illustrieren, wofür O’Shaughnessy und dieses Buch berühmt sind und gerühmt werden: den Rückgriff auf teilweise bis in das Jahr 1900 zurückreichende Daten, mit denen der Autor die Robustheit und Lukrativität der untersuchten Faktoren bestätigt oder verwirft. Eine Strategie muss sich über einen langen Zeitraum bewähren und nicht beispielsweise nur über die vergangenen fünf Jahre.

In der Einführung benennt O’Shaughnessy das Problem der Kurzfristigkeit: „[…] die Anleger [scheinen] von Natur aus darauf programmiert zu sein, bei der Geldanlage zu scheitern, indem sie immer derjenigen Anlageklasse nachlaufen, die in letzter Zeit am besten performt hat, und mit Macht alles verwerfen, was sich vor mehr als drei bis fünf Jahren ereignet hat. Der wesentliche Zweck von ‚What Works on Wall Street‘ ist es, die Anleger von dieser Handlungsweise abzubringen. Nur die langfristige Betrachtung zeigt, welche Anlagestrategien über eine längere Strecke die beste Performance generieren […]“

Mit Köpfchen und Disziplin

Ein wichtiges Thema sind auch verschiedene Biases, Verzerrungen, wobei O’Shaughnessy nicht zuletzt auf die maßgeblichen Arbeiten von Daniel Kahneman hinweist. Die Erkenntnisse der „Behavioral Finance“ gehören zu den Themen, die gegenüber der ersten Auflage aus dem Jahr 1996 Eingang in die 4. Auflage gefunden haben. Ein ganz zentraler Faktor für Outperformance ist die Disziplin, auch bei schlechterer Performance in der jüngeren Vergangenheit an seiner Strategie festzuhalten. Die richtigen Anlagestrategien erfordern nicht nur Wissen, sondern auch Geduld, um langfristig die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Mangelnde Disziplin ist laut O’Shaughnessy ein Grund, weshalb es professionellen Finanzmanagern so gut wie nie gelingt, über 10-Jahres-Zeiträume beispielsweise den S&P 500 zu übertreffen.

Klar und auf den Punkt

Das Buch besticht nicht zuletzt mit Klarheit und Präzision. O’Shaughnessy kann schlüssig und überzeugend beispielsweise gegen die Effizienzmarkthypothese argumentieren, indem er die entsprechenden Daten und Belege ins Feld führt. Sein Hauptargument und der Kern des Buches: seine Analyse verschiedener Investmentstrategien, an deren Ende diverse Beispiele dafür stehen, womit ein Anleger den Markt über lange Zeiträume systematisch schlagen kann. O’Shaughnessy gelingt es, auch komplexere Gedankengänge für den Leser sehr gut nachvollziehbar zu präsentieren – ein Aspekt, der angesichts des Umfangs des Buches positiv ins Gewicht fällt. So fällt es dem Leser aufgrund der Strukturiertheit leicht, trotz der anspruchsvollen Analysen am Ball zu bleiben.

Durch dick und dünn

Stellvertretend für O’Shaughnessys methodische Herangehensweise soll hier ein Blick auf die Analyse des Kurs-Gewinn-Verhältnisses geworfen werden. Die Betrachtungsperiode läuft vom 01.12.1964 bis 31.12.2009. Er untersucht Aktien aus dem Dezil mit den niedrigsten und den höchsten KGVs. Die beiden Aktienuniversen sind das All-Stocks-Universum (alle Aktien mit bereinigten Marktkapitalisierungen über 200 Millionen US-Dollar) sowie das Large-Stocks-Universum (Aktien mit Marktkapitalisierung über dem Compustat-Durchschnitt). Der Autor nimmt vor allem rollierende 5- und 10-Jahres-Zeiträume unter die Lupe, bildet aber auch kürzere Perioden ab.

Er betrachtet Worst-Case-Szenarien sowie die besten und die schlechtesten Renditen. Die Resultate, alle übersichtlich zusammengestellt und illustriert in zahlreichen Tabellen sowie Charts, zeigen, dass die Investition in Aktien mit niedrigen KGVs deutlich lukrativer sowie weniger risikoreich ist. Aktien mit hohen KGVs performten deutlich seltener überdurchschnittlich gut, und das auch nur vor gravierenden Einbrüchen. In der betrachteten 5-Jahres-Periode kam es zwar auch bei Aktien mit niedrigen KGVs zu mehreren erheblichen Einbrüchen – bei jenen aus dem All-Stocks-Universum gab es sieben um mehr als 30 Prozent mit dem schärfsten Einbruch von Mai 2007 bis Februar 2009 um mehr als 59 Prozent.

O’Shaughnessy gesteht zu, dass ein solcher Einbruch es Anlegern schwer macht, an der Strategie festzuhalten. Hier kommt jedoch die langfristige Perspektive ins Spiel, denn: „Weiten wir unsere Wahrscheinlichkeiten auf alle rollierenden 10-Jahres-Zeiträume aus, erkennen wir, dass historisch gesehen Aktien mit niedrigen KGVs das All-Stocks-Universum fast immer schlagen. Nur in drei der 433 10-Jahres-Zeiträume blieben die Aktien mit niedrigen KGVs hinter dem All-Stocks-Universum zurück.“ Es lässt sich zeigen, dass im Zeitverlauf bei einem niedrigen KGV – verglichen mit einem Investment in das jeweilige Aktienuniversum – sich die Einbußen in Grenzen halten und das Aufwärtspotenzial erheblich ist. Zentral für den Anlageerfolg ist die folgende Einsicht: „Um erfolgreich zu sein, ist es am besten, die richtige prinzipielle Anlagestrategie zu finden und durch dick und dünn dabeizubleiben.“

Anlagestrategien erfordern Geduld und Disziplin, um über längere Zeiträume erfolgreich zu sein.


T1 Bibliographie

Titel:What Works on Wall Street
Autor:James P. O’Shaughnessy
Umfang:656 Seiten, Hardcover
Preis:79,00 €
ISBN:9783864708601
Verlag:Börsenbuchverlag

Fazit

Ist dieses Buch also für Profis und/oder für Privatanleger geeignet? Für beide kann eine starke Leseempfehlung ausgesprochen werden. O’Shaughnessy gelingt es hervorragend, herauszuarbeiten, welche Faktoren funktionieren und warum, weshalb viele institutionelle Anleger den Markt nicht schlagen, vor welchen psychologischen Fallstricken Anleger sich hüten müssen und – last, but not least – auf welche Strategien sie setzen sollten. Anlagestrategien, die im Buch vorgestellt werden, bieten tiefgehende Einblicke und bewährte Methoden, die für nachhaltigen Erfolg sorgen können. Vom Umfang sollte sich niemand abschrecken lassen. Die Tatsache, dass die Daten nur bis Ende 2009 reichen, stellt zwar einen kleinen Makel dar. Doch auch wenn sich die Investmentwelt seither weitergedreht hat und neue Aspekte berücksichtigt werden müssen, bleibt das Buch eine wertvolle Quelle für zeitlose Erkenntnisse. Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Hält das Buch, was es verspricht? „What Works on Wall Street“ wird seinem Ruf gerecht. Es gehört zu jenen Börsenbüchern, die man auf jeden Fall gelesen haben sollte – und die man immer und immer wieder zur Hand nehmen kann. Anlagestrategien sind zeitlose Schlüssel zum Erfolg.


Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 06.2024 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.

Featured by TradersYard und AgenaTrader