Bei dieser Strategie geht es um den Handel von Kurslücken (Gaps). Sie können zwischen dem Schlusskurs eines Handelstages und dem Eröffnungskurs des folgenden Tages auftreten. Manchmal sind die Unterschiede im Kurs sehr klein und zu vernachlässigen. An anderen Tagen können die Lücken moderat bis sehr groß ausfallen, je nachdem welche Nachrichten über Nacht bekannt wurden, und wie diese die Märkte bewegen. Beispiele sind Wirtschaftsnachrichten, politische Ereignisse oder einfach Launen der Anleger. Schon anhand des vorbörslichen Handels beziehungsweise der Futures ist meist gut zu erkennen, ob sich an einem bestimmten Handelstag ein nennenswertes Gap ausbildet oder nicht. Die Gap-Trading-Strategie ermöglicht es Tradern, solche Kurslücken systematisch auszunutzen, indem sie gezielt auf das Schließen der Gaps setzen.
Der Autor argumentiert, dass man Kurslücken nicht prozyklisch nachjagen sollte, nur um noch dabei zu sein. Statistisch betrachtet hat dies eher schlechte Erfolgschancen und erweist sich im Nachhinein oft als Fehler. Umgekehrt sollte demnach eine Strategie, die auf das Schließen der Kurslücken setzt, profitabel sein. Schauen wir uns das Ganze also genauer an.
Unsere Strategie zielt darauf ab, dass Gaps in der Mehrzahl der Fälle noch am selben Handelstag wieder geschlossen werden. Wir verhalten uns also antizyklisch. Eine gute Begründung für das häufige Schließen der Gaps sind institutionelle Händler, die Kurslücken nach oben häufig als kurzfristige Verkaufs- beziehungsweise Kurslücken nach unten als kurzfristige Kaufchance nutzen. Das ist aber nur so lange zu erwarten, wie der Kurs außerhalb des Bereichs des Vortagesschlusskurses liegt, da ab diesem Punkt die beschriebene Opportunität für institutionelle Anleger nicht mehr gegeben ist.
B1 Gewinn-Trade
Am 07. Juni eröffnete der S&P 500 ETF (Kürzel: SPY) mit einer Aufwärts-Kurslücke. Sie betrug 54 Cent sowie 22 Prozent der Vortageskursspanne, sodass die Parameter der Gap-Trading-Strategie erfüllt waren. Der Einstieg in die Short-Position erfolgte bei US-Handelseröffnung um 15:30 Uhr deutscher Zeit bei einem Kurs von 277,97 US-Dollar. Schon eine Stunde später wurde das Kursziel bei Erreichen am Vortagesschlusskurs bei 277,43 US-Dollar erreicht.
Quelle: www.tradesignalonline.com
Die richtige Gap-Größe
Konkret betrachten wir im Folgenden eine Gap-Trading-Strategie auf den S&P-500-ETF mit dem Kürzel SPY, auf den der Ansatz getestet wurde. Dabei werden auch bestimmte Anforderungen an die Gap-Größe gestellt, statt einfach blind jede Kurslücke zu handeln. Der Fokus liegt im Wesentlichen darauf, möglichst nur moderat große Gaps zu traden.
Zunächst muss eine Kurslücke auftreten, die groß genug ist, um einen nennenswerten Gewinn zu ermöglichen. Dafür legen wir den absoluten Maßstab fest, dass das Gap mindestens 20 Cent betragen muss. Zudem möchten wir eine relative Untergrenze der Gap-Größe definieren, die sich an der Handelsspanne des Vortages orientiert. Demnach soll die Kurslücke mindestens 15 Prozent der jeweiligen Vortages-Range ausmachen. Neben der Untergrenze definieren wir auch die Obergrenze für die zulässige Gap-Größe. Der Grund hierfür ist, dass sehr große Kurslücken oft mit außergewöhnlichen Ereignissen in Zusammenhang stehen, bei denen sich die Kurse eher in Richtung des Gaps fortbewegen. Beträgt die Gap-Größe mehr als 85 Prozent der Vortages-Range, wird dies zunehmend wahrscheinlich. Entsprechend soll in diesen Fällen kein Trade erfolgen.
B2 Weggelassener Trade
Am 11. Juni eröffnete der SPY mit einer Aufwärtskurslücke. Diese war mit 21 Cent allerdings sehr klein und lag mit nur 13 Prozent der Vortageskursspanne unterhalb unserer Auswahlkriterien. Entsprechend wurde dieser Trade ausgelassen, da das Gewinnpotenzial relativ zum Risiko des Trades einfach zu klein war.
Quelle: www.tradesignalonline.com
Die Handelsregeln
Sind die Vorbedingungen des Setups erfüllt, erfolgt der Einstieg zur Markteröffnung. Bei einem Aufwärts-Gap gehen wir demnach eine Short-Position, bei einem Abwärts-Gap eine Long-Position ein. Als Kursziel legen wir den Schlusskurs des Vortages fest, bei dessen Erreichen die Kurslücke per Definition geschlossen ist.
Etwa 80 Prozent aller Kurslücken schließen sich innerhalb desselben Tages, sodass wir mit einer hohen Trefferquote rechnen können. Auf Sicht von zehn Tagen schließen sich sogar rund 90 Prozent aller Gaps. Allerdings ist in letzterem Fall aufgrund der deutlich längeren maximalen Haltedauer auch das Risiko entsprechend höher. Im Rahmen dieses Artikels betrachten wir deshalb nur die Intraday-Variante der Strategie.
Zur Absicherung für den Fall, dass der Kurs entgegen unserer Erwartung weiter in Gap-Richtung (und damit gegen uns) läuft, legen wir einen Zeitstopp fest. Er greift am Ende des Handelstages, wenn das Kursziel bis dahin nicht erreicht wurde. Meist bedeutet der Ausstieg per Zeitstopp einen Verlust. Es kann aber auch ein kleiner Gewinn sein, falls das Schließen des Gaps kurz vor Handelsende nur knapp verfehlt wurde und der Trade bei Auslösen des Zeitstopps entsprechend im Buchgewinn liegt.
B3 Gewinn trotz Fehl-Trade
Am 20. Juni eröffnete der SPY mit einer Aufwärtskurslücke. Sie betrug 79 Cent und somit 36 Prozent der Vortageskursspanne, sodass die Parameter der Gap-Trading-Strategie erfüllt waren. Der Einstieg in die Short-Position erfolgte zur Eröffnung bei 276,27 US-Dollar. Allerdings wurde das Kursziel auf Höhe des Vortagesschlusskurses bei 275,48 US-Dollar im Laufe des Tages nicht erreicht. Deshalb wurde die Position zum Handelsschluss bei 276,01 US-Dollar glattgestellt. Da dieser Kurs unter dem Eröffnungskurs lag, konnte trotz verfehltem Kursziel ein kleiner Gewinn realisiert werden.
Quelle: www.tradesignalonline.com
Statistiken
Insgesamt hat dieser Handelsansatz nach Rückrechnungen des Autors eine Trefferquote von rund 82 Prozent. Das klingt nach einer überaus erfolgreichen Strategie. Trader müssen allerdings wissen, dass die Verlust-Trades im Durchschnitt rund 2,5-mal höher ausfallen als die Gewinn-Trades.
Man muss also in der Lage sein, hin und wieder per Tagesende weit im Verlust liegende Positionen zu beenden, statt von den Regeln abzuweichen und auf eine Gegenbewegung zu hoffen. Denn die beschriebenen Verluste entstehen vor allem an sogenannten „Gap & Go“-Tagen, an denen die Kurse nach der Gap-Eröffnung noch deutlich weiterlaufen. Hier kann es durchaus passieren, dass ein Aufschieben des Ausstiegs an den Folgetagen zu noch weitaus größeren Verlusten führt.
Trotz der gelegentlichen, vergleichsweise großen Verluste weist die Strategie insgesamt einen positiven Erwartungswert auf. In den Rückrechnungen über insgesamt drei Jahre und 471 Gaps ergab sich ein Gewinn von rund 17,5 Prozent pro Jahr, sodass die Strategie auch nach Abzug von Transaktionskosten profitabel funktionierte.
B4 Verlust-Trade
Am 04. Juni eröffnete der SPY mit einer Aufwärtskurslücke. Sie betrug 90 Cent und somit 56 Prozent der Vortageskursspanne, sodass die Parameter der Gap-Trading-Strategie erfüllt waren. Der Einstieg in die Short-Position erfolgte zur Eröffnung bei 274,49 US-Dollar. Allerdings wurde das Kursziel auf Höhe des Vortagesschlusskurses bei 273,59 US-Dollar im Laufe des Tages nicht erreicht. Deshalb wurde die Position zum Handelsschluss bei 274,89 US-Dollar glattgestellt, was einen Verlust bedeutete. Ein „Hoffen“ auf ein Gap Close in den folgenden Tagen wäre hier verheerend gewesen. Nur drei Tage später stand der SPY zur Eröffnung bereits mehr als drei US-Dollar höher bei 277,97 US-Dollar, was die unbedingte Notwendigkeit verdeutlicht, Verlustpositionen tatsächlich zum Tagesende glattzustellen.
Quelle: www.tradesignalonline.com
Risiko-Management
Obwohl die Strategie eine hohe Trefferquote sowie einen positiven Erwartungswert aufweist, kann es bei unangepassten Positionsgrößen zu Problemen kommen. Zwar enden nur rund 18 Prozent der Trades im Verlust, aber diese schlagen im Durchschnitt erheblich stärker negativ zu Buche, als ein vergleichbarer Gewinn-Trade erbringt. Während einer längeren Serie an Gewinn-Trades kann es jedoch passieren, dass der Trader das Risiko eines Rückschlags unterschätzt und zu hohe Risiken eingeht.
Die Wahrscheinlichkeit, dass beispielsweise drei Verlust-Trades in Folge auftauchen, liegt immerhin noch bei 0,6 Prozent (Berechnung: 0,183). Früher oder später wird dieses Szenario also auftreten. Fallen die Verluste entsprechend groß aus, kann es passieren, dass ein Gegenwert von rund zehn durchschnittlichen Gewinn-Trades verlorengeht. Trader sollten also darauf achten, mit konservativem Risiko-Management zu arbeiten und bei jedem Trade nur einen kleinen Teil des für die Handelsstrategie verfügbaren Kapitals einzusetzen, um katastrophale Drawdowns zu vermeiden.
T1 Strategie Snapshot
Strategie Snapshot | |
Strategiename: | Gap Trading |
Strategietyp: | Mean Reversion |
Zeithorizont: | 5-Minuten-Chart |
Setup: | Gap im SPY > 20 Cent und beträgt 15-85 Prozent der Kursspanne des Vortages |
Einstieg: | zur Eröffnung, long bzw. short in Schließrichtung des Gaps |
Stopp-Loss: | kein Preisstopp, nur Zeitstopp zum Ende des Handelstages |
Take Profit: | bei Schließen des Gaps |
Trailing-Stopp: | nicht vorgesehen |
Risiko- und Money-Management: | konservative Positionsgröße wegen gelegentlicher großer Einzelverluste |
Chance/Risiko-Verhältnis: | rund 0,4 |
Durchschnittliche Trefferquote: | rund 82 Prozent |
Fazit
Die vorgestellte Gap Trading Strategie setzt auf ein Schließen moderat großer Kurslücken beim S&P-500-ETF innerhalb desselben Handelstages. Die Trefferquote ist mit rund 82 Prozent sehr attraktiv, wobei im Fall von Verlust-Trades einige größere Rückschläge einzukalkulieren sind. Entsprechend sollten Trader auf konservative Positionsgrößen achten.
Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 08.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.
- Lesen Sie einen weiteren interessanten Artikel zum Thema: “100-Bagger: Aktien, die sich verhundertfachen – und wie man sie findet”
- Folgen Sie der Traders-Mag Gruppe auf TradersYard…
- Informieren Sie sich über die neuesten Ausgaben des Traders-Magazine…
- Melden Sie sich zu den TradersMag Daily-Briefings an…
Featured by TradersYard und AgenaTrader