ANN HUNT: SCHON IMMER WAR DIE BEHAVIORALFINANCE-FORSCHUNG IN DER TRADING-SZENE IN ALLER MUNDE. WIE GEHEN SIE DAS THEMA AN?
Hunt: Wir sind das einzige Unternehmen, das die Techniken der Datenanalyse zur Erforschung der Trading-Psychologie nutzt. Unser Konzept lautet: Emotionen als Daten. Für Trader bedeutet das zweierlei: Zum einen können wir so konkret Stärken und Schwächen eines Traders aufzeigen und zum anderen auch nachweisen, wie sehr sich seine Gewohnheiten auf die Performance auswirken. Eine Serie von Verlust-Trades könnte zum Beispiel bei dem einen Trader dazu führen, dass er sich noch undisziplinierter verhält und seine Positionsgröße in der Hoffnung erhöht, Verluste wettzumachen, was aber möglicherweise seine Lage weiter verschlimmert. Dagegen könnte sich ein anderer Trader gerade dann viel disziplinierter verhalten und nach einer Serie von Verlust-Trades seine besten Trades machen.
ANN HUNT: WAS GENAU UNTERSCHEIDET CHASING RETURNS VON ANDEREN UNTERNEHMEN?
Hunt: Chasing Returns besteht aus Tradern, Risikomanagern und Verhaltensforschern. Wir stellen die Konzepte und Risiko-Tools privaten Tradern zur Verfügung, die sonst nur Profis vorbehalten sind. Die meisten Trader wissen nämlich gar nicht, dass beim Trading die Strategie nur zehn Prozent des Erfolgs ausmacht. Die verbleibenden Erfolgsfaktoren sind Money-Management (30 Prozent) und Psychologie (60 Prozent). Wichtig zu erwähnen ist: Wir sind ein Technologieunternehmen, kein Broker. Wir haben mit führenden Investmentbanken und Hedgefonds zusammengearbeitet, kennen die Tools, die von den Profis eingesetzt werden und bringen professionelle Technologien auf den Privatkundenmarkt. Wir liefern aber keine Handelssignale. Stattdessen konzentrieren wir uns darauf, die Disziplin eines Traders zu fördern und generell das Verhalten zu verbessern, das er in der Vergangenheit an den Tag gelegt hat.
ANN HUNT: BIETEN SIE AUCH INTRODUCING-BROKER- ODER WHITE-LABEL-PARTNERSCHAFTEN AN?
Hunt: Wir bieten Brokern White-Label-Partnerschaften und Tradern mithilfe von MetaTrader 4 unsere Dienstleistungen direkt an.
ANN HUNT: DER PLAYMAKER IST IHR FLAGGSCHIFF – WIE FUNKTIONIERT ER GENAU?
Hunt: Der PlayMaker ist wie ein privater Risikomanager. Professionelle Trader haben an der Börse immer einen Risikomanager, dessen Aufgabe darin besteht, sie beim Managen ihres Handelskapitals und Marktrisikos zu unterstützen, sie emotional zu stabilisieren und zu überwachen. Allzu oft verlassen sich private Trader nur auf die Stimme in ihrem Kopf, die sich häufig irrational verhält und unter Stress der Auslöser für schlechte Entscheidungen sein kann. Der PlayMaker sitzt dagegen quasi auf dem Trading Desk und fungiert wie ein persönlicher digitaler Risikomanager. Wir alle haben gute und schlechte Tage; der PlayMaker wird auf seine Weise dafür sorgen, dass man zu gegebener Zeit den Handel einstellt. Jeder Trader kann selbst festlegen, wo bei ihm die Toleranzgrenze für Verluste liegt, und der PlayMaker wird sie überwachen.
ANN HUNT: GLAUBEN SIE, DASS MAN ZUM TRADER GEBOREN SEIN MUSS?
Hunt: Ich denke, dass jeder Trader werden kann – vorausgesetzt, man arbeitet entsprechend an sich. Aber es stimmt schon, dass manche Menschen von der Persönlichkeit her besser dazu geeignet sind, gute Trader zu werden. Ganz wichtig ist, dass man weiß, wie Trading überhaupt funktioniert, auf welche Weise man sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann und dass man die Disziplin hat, sich an seinen Plan zu halten. Manche Menschen können von Natur aus besser mit dieser emotionalen Achterbahnfahrt fertigwerden als andere. Viele Trader glauben sogar, sie müssten ihre Emotionen komplett ausschalten, um an den Märkten Erfolg zu haben. Die Anwendung von Trading-Psychologie-Techniken kann dabei helfen, diese emotionale Achterbahnfahrt besser zu bewältigen und die eigene Disziplin zu stärken. Neurowissenschaftler haben aber mittlerweile herausgefunden, dass wir ohne Emotionen gar keine Entscheidungen treffen könnten. Trader müssen also zu ihren Emotionen stehen und lernen, angemessen zu reagieren.
ANN HUNT: INWIEWEIT BEEINFLUSST DIE PSYCHOLOGIE UNSER VERHALTEN BEIM TRADING?
Hunt: Die Psychologie ist definitiv der wichtigste Erfolgsfaktor. Man kann beispielsweise zehn Tradern genau die gleiche Strategie an die Hand geben und wird zehn unterschiedliche Ergebnisse erhalten. Gründe sind die Psychologie und dass wir nicht alle im gleichen Maße dazu fähig sind, auch unter Stress schnelle Entscheidungen zu treffen. Dazu gibt es ein berühmtes Experiment: Ralph Vince gab 40 Doktoranden 1.000 US-Dollar, mit denen sie darauf spekulieren sollten, ob aus einem Beutel mit Bällen entweder ein grüner oder ein roter Ball gezogen wird. Bei einem grünen Ball würde sich der Wetteinsatz verdoppeln; bei einem roten wäre das Geld verloren. 60 Prozent der Bälle waren grün, sodass es im Endeffekt eine Gewinnerstrategie ist. Die Trefferquote liegt bei 60 Prozent und das Chance/Risiko-Verhältnis bei 1:1. Wenn man irgendeinem Trader diese Strategie anböte, würde er sofort die Chance nutzen. Beim Experiment haben aber nur zwei der 40 Studenten (fünf Prozent) Geld verdient.
ANN HUNT: GIBT ES EINE METHODE, MIT DER WIR UNSERE VERHALTENSFEHLER VERSTEHEN KÖNNEN?
Hunt: Auf jeden Fall – viele Fehler sind schließlich messbar. Bei Chasing Returns analysieren wir historische Trade-Daten, um all die Verhaltensmuster zu ermitteln, die einem Trader im Weg stehen. Die Anwendung der Trading-Psychologie-Techniken hilft uns dabei, diese Muster präzise zu identifizieren und zu verstehen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und Fehler der Vergangenheit werden oft wiederholt, wobei das mal mehr und mal weniger extrem passiert.
ANN HUNT: SIND TRADER DURCH IHR SYSTEM VOR UNERWARTETEN EREIGNISSEN GESCHÜTZT?
Hunt: Wenn man an der Börse aktiv ist und auf der falschen Seite steht, ist man nie vollständig gegen ein Black-Swan-Event gefeit. Wir unterstützen aber Trader, damit sie einen kühlen Kopf bewahren und so Verluste möglichst klein halten können. Unsere Trading-Psychologie-Techniken helfen dabei, emotionale Reaktionen besser zu verstehen und zu kontrollieren. Wir bieten auch Alarme an, die losgehen, wenn man keinen neuen Trade eingehen, aus dem aktuellen Trade aussteigen oder den Handel komplett einstellen sollte. Zurzeit arbeiten wir auch an einer Live-Bias-Plattform, die Trader warnen soll, wenn wir glauben, dass sich ein Verhaltensfehler zeigt und negativ auf den Handel auswirken könnte. Zusammengenommen kann das alles eine wertvolle Stütze sein, wenn der Markt mal wieder verrücktspielt.
ANN HUNT: IST DAS RISIKO-MANAGEMENT FÜR SIE DAS FUNDAMENT EINER OUTPERFORMANCE?
Hunt: Ich denke schon, wobei gutes Money-Management hinzukommen sollte. Schließlich fährt man auch kein Auto ohne Bremsen oder springt ohne Fallschirm aus einem Flugzeug. Gute Trader haben meistens eine Trefferquote von nur 30 bis 40 Prozent, weshalb sie bei der Mehrzahl ihrer Trades Verluste hinnehmen müssen. Wenn man überleben will, geht das nur mit einem guten Risiko- Management – und nur mit einem guten Money-Management kann man aus seinem Erfolg Kapital schlagen. Trader sind gut beraten, wenn sie ihre Trading-Statistik kennen. Wenn sie eine 40-prozentige Trefferquote haben, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Verlustserie viel höher als beispielsweise bei einer Trefferquote von 60 Prozent. Das sollte beim Money-Management berücksichtigt werden. Wenn man emotionale Höhen oder Tiefen hat, sollte man wissen, wie sehr sie sich auf das Trading auswirken. Mit unserem GamePlan bekommt jeder Fehler eine Nummer, indem gemessen wird, wie viel Geld man dadurch in der Vergangenheit verloren hat. Ein negatives Bias könnte man beispielsweise durch eine kleinere Positionsgröße kompensieren, während man gleichzeitig lernt, das Verhalten entsprechend zu korrigieren.
ANN HUNT: WIE UNTERSCHEIDET SICH DAS VON EINEM NORMALEN TRADING-PLAN BEZIEHUNGSWEISE -TAGEBUCH, IN DEM ALLE VERFÜGBAREN INFORMATIONEN UND GEWOHNHEITEN TAG FÜR TAG ERFASST WERDEN?
Hunt: Unser PlayMaker funktioniert in Echtzeit. Mit ihm kann man ständig all seine offenen Trades, seinen Kontostand, seine Stopps und seine Disziplin auf einem einzigen Bildschirm kontrollieren. Es besteht keinerlei Notwendigkeit, genau Buch zu führen oder die Trades zur Analyse in Excel einzugeben. GamePlan funktioniert dagegen als Pre- und Post-Trade- Werkzeug. Am Ende des Trading-Tages ist es ausgesprochen wichtig, sowohl Gewinn- als auch Verlust-Trades zu analysieren. Viele Coaches lehren nur, dass man sich auf die Verlust-Trades konzentrieren soll, aber auch von den Gewinn-Trades kann man sehr viel lernen. Wenn man eine Liste mit allen Gewinn-Trades anlegt und dort immer wieder hineinschaut, entwickelt man quasi ein motorisches Gedächtnis, das einen immer wieder daran erinnert, wie großartig sich Gewinn-Trades anfühlen. Und das hilft im Lauf der Zeit, noch mehr solcher Trades zu finden. Die Anwendung von Trading-Psychologie-Techniken kann dabei unterstützen, diese Lernprozesse noch effektiver zu gestalten.
Der Original-Artikel erschien in der Ausgabe 10.2018 im Magazin TRADERS´. Da es sich um einen historischen Beitrag handelt, können sich Personen-, Firmen- und Produktdaten, Webseiten, Software, Strategien, Marktphasen, gesetzliche Regelungen und anderes verändert haben bzw. ungültig geworden sein. Die Aktualität des Artikels bezieht sich somit stets auf das Erscheinungsdatum.
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